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Rosehill 01 - Die Tochter des Lords

Rosehill 01 - Die Tochter des Lords

Titel: Rosehill 01 - Die Tochter des Lords Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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zeigen. Andererseits bestürmten Sie mich mit zahllosen Fragen. Außerdem taten Sie so, als wären alle Anwälte Ihre Feinde. Das bestärkte mich in der Vermutung, dass Sie etwas zu verbergen haben. Irrtümlicherweise dachte ich, Sie wollten mich daran hindern, die Wahrheit über die Entführung herauszufinden. Wenn ich Sie auch nicht für die Kidnapper hielt, so dachte ich doch, Sie würden die schuldige Person schützen. Jetzt, wo ich Sie alle kenne, weiß ich es besser. Sie zogen hierher, unabhängig von irgendwelchen anderen Leuten, nur auf sich selbst gestellt. Eine Familie. Vier Brüder und eine kleine Schwester. Mary Rose ist Lady Victoria, nicht wahr?«
    Sekundenlang schloss Adam die Augen. »Großer Gott, sie muss es sein.«
    Mit zitternden Fingern griff Travis nach der Flasche. Sein Glas war voll, doch das schien er nicht zu bemerken.
    Harrison wandte sich zu Adam. »Geben Sie mir einen Dollar.«
    Den Sinn dieses Wunsches schien keiner der Claybornes zu verstehen, aber der älteste griff in seine Westentasche und warf Harrison eine Silbermünze zu.
    »Was soll das?«, fragte Travis.
    »Ein Vorschuss«, erklärte Harrison. »Ob Sie Anwälte mögen oder nicht, ist mir verdammt egal. Jedenfalls vertrete ich Sie jetzt – Sie alle. Und nun erzählen Sie, was damals geschehen ist.«
    »Mary Roses Entführer muss kalte Füße bekommen haben«, begann Cole. »Wir fanden sie in einer Hintergasse von New York City, auf einem Abfallhaufen.«
    »Was?«, stieß Harrison hervor.
    »Ja, Sie haben richtig gehört.«
    »Wir waren noch Kinder«, fuhr Adam fort, »und wir bildeten eine Straßenbande. Mit Hilfe einer Geheimorganisation, die Sklaven aus den Südstaaten in den Norden schleuste, war mir die Flucht nach New York gelungen. Dort wollte ich nicht bleiben. Ich hatte meiner Mutter versprochen, in den Westen zu gehen, denn sie dachte, dort sei ich sicherer, wenn die Kämpfe anfangen. Nachdem Lincoln verkündet hatte, die Sklaverei müsse ein Ende finden, ahnte sie den Krieg voraus. Und wenn der Norden siegte, würden wir endlich frei sein. An diese Hoffnung klammerte ich mich. Ich hauste mit meinen Brüdern in jener Gasse. Auf den Straßen trieben sich noch andere Jugendbanden herum, und wir mussten unser Revier verteidigen. Nachts hielten wir abwechselnd Wache. In jener Nacht war Douglas an der Reihe, und wir anderen schliefen. Plötzlich weckte er uns, zeigte auf den Abfallhaufen und rannte davon, um irgendwelche Nachforschungen anzustellen. Und so fanden wir den Korb, wo Mary Rose lag, zwischen lauter Ratten.«
    »Guter Gott«, flüsterte Harrison. »Weiß sie Bescheid?«
    »Ja, sie weiß, wie sie entdeckt wurde. Wir haben ihr nie was verheimlicht. Und sie weiß auch alles über uns. Übrigens, bevor wir ihr Geschlecht feststellten, nannten wir sie Sidney.«
    Harrison lächelte. »Jetzt verstehe ich, warum sie so wütend war, nachdem Cole sie mit diesem Namen angeredet hatte.«
    »Ja, das erinnert sie dran, dass sie nichts Besseres ist als andere Menschen«, erklärte Cole.
    Adam räusperte sich und sprach weiter. »In jener Nacht gelobten wir uns, immer nur das Beste für Mary Rose zu tun. Wir wollten sie nicht in ein Waisenhaus bringen. Dort hätte sie sicher nicht überlebt. Travis hat am eigenen Leib erfahren, wie’s in solchen Anstalten zugeht. Da er der Einzige in unserer Mitte war, der nicht von der Polizei gesucht wurde, nahmen wir alle seinen Nachnamen an – Clayborne. Und dann zogen wir in den Westen. Es war ein langer, beschwerlicher Weg. Aber schließlich kamen wir hier an und ließen uns häuslich nieder.«
    »Wenn ich’s mir jetzt überlege – vielleicht hat Mary Roses Vater uns unwissentlich geholfen«, meinte Cole.
    »Wie denn?«, fragte Harrison.
    »Douglas beobachtete, wie eine Frau den Korb auf den Abfallhaufen warf, rannte ihr nach und stahl ihr einen Umschlag voller Dollars. Damals gehörte er zu den besten Taschendieben in New York City. Von diesem Geld konnten wir ziemlich lange leben. Wahrscheinlich war es Elliott gestohlen worden.«
    »Wie alt waren Sie damals?«
    »Ich war fast zehn«, erwiderte Travis. »Aber ich erzählte den anderen, ich sei schon elf, weil ich Angst hatte, sie würden mich sonst nicht in ihrer Bande aufnehmen. Douglas und ich kannten die Zustände, die in den Waisenhäusern herrschten, und da wollten wir nie wieder landen. Und ich wusste, dass ich Schutz brauchte. Adam war so groß und stark. Tag und Nacht rannte ich ihm nach, bis er mir endlich erlaubte, bei ihm zu

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