Rosen des Lebens
Berg ein Bein verloren, und weil er in seinem kläglichen Zustand nicht heiraten
will, bleibt er nun der letzte Graf von Lichtenberg, und ich kann nicht mehr für ihn tun, als ihm den traurigen Rest meiner
Tage zu widmen. Ich sehe also nicht, daß ich je wieder in meinem Pariser Hôtel in der Rue des Bourbons leben könnte, zumal
ich genötigt bin, es zu verkaufen, um mir eine kleine Rente zu verschaffen, denn meine Einkünfte liegen derzeit weit unter
meinen Bedürfnissen.
Sie mögen sich meine Verzweiflung bei dem Gedanken vorstellen, das schöne Paris nicht wiederzusehen und dieses geliebte Haus,
wo ich mit Ihnen so viele glückliche Stunden verlebt habe.
Bassompierre, der sich durch seine Pfälzer Freunde nach mir erkundigt und mich in Den Haag gefunden hatte, versprach mir seine
treue Freundeshilfe. Aber soweit bin ich noch nicht, ich habe ihn nur gebeten, er möge sich um den Verkauf meines Pariser
Anwesens kümmern, mit der Bedingung, Ihnen, wenn Sie es kaufen wollten, den Vorzug zu geben. Selbstverständlich müßten Sie
dazu den Wunsch und die Möglichkeit haben, ich will Ihnen dies bestimmt nicht zur Pflicht machen. Mir scheint jedoch, wenn
ich Sie in diesen Mauern wüßte, wenn diese Sie von Zeit zu Zeit an mich erinnern würden, wäre es für mich weniger schmerzlich,
nicht mehr dort zu sein, mit Ihnen. Mein Freund, bitte, sehen Sie in mir bis ans Ende der Zeiten Ihre sehr ergebene Dienerin.
Ich kann nicht weiter schreiben, meine Augen stehen voll Tränen. Ihre tief betrübte
Ulrike«
|277| Als ich dieses Schreiben gelesen hatte, warf ich mich auf mein Lager, und nun schwammen meine Augen in Tränen. Schließlich
klopfte mein Vater bei mir an, und als er mich so bekümmert sah, fragte er, was es sei. Wortlos streckte ich ihm den Brief
hin, den er von Anfang bis Ende mit Kopfschütteln las. Dann setzte er sich auf meinen Bettrand.
»Liebt Ihr sie noch?« fragte er.
»Ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Aber es tut mir weh, sie und den jungen Grafen in solchem Unglück zu wissen.«
»Kauft Ihr das Haus?«
»Es wäre mir schon lieb, wenn es mein wäre, aber was soll ich damit? Ich kann mir nicht vorstellen, wenn ich nicht im Louvre
bin, anderswo in Paris zu wohnen als bei Euch.«
»Und ich werde Euch hier immer mit Freuden sehen«, sagte mein Vater lächelnd. »Wirklich«, fuhr er fort, »wenn Ihr nicht hier
seid, kommt mir unser Haus ein bißchen groß vor. Aber eines Tages heiratet Ihr, mein Sohn, und Eure Frau Gemahlin wird sich
mit Orbieu nicht begnügen. Sie wird auch ein Stadthaus haben wollen, wo sie nach eigenem Belieben schalten und walten kann.«
Das war richtig, ich hatte ja gehört, was sowohl Louison wie Laurena zu diesem Thema gesagt hatten. Aber es ging über meine
Kräfte, beim Hôtel in der Rue des Bourbons anzuklopfen und mit Herrn von Beck dieses für mich doppelt leere Haus Raum für
Raum zu besichtigen. So bat ich denn meinen Vater, sich mit Bassompierre in Verbindung zu setzen und es für mich zu kaufen,
falls es meine Mittel nicht überstiege. Und sollte ich es erwerben können, so beschloß ich kurzerhand, würde ich das Geld
selbst nach Den Haag bringen zu Frau von Lichtenberg.
»Haltet Ihr das, abgesehen von den Gefahren der Reise, für klug?« sagte mein Vater. »Ein Wiedersehen mit Euch könnte ihr mehr
Leid als Gutes bereiten.«
»Trotzdem«, sagte ich nach einiger Überlegung. »Ich weiß nicht, ist es mein Herz oder mein Gewissen, eines jedenfalls treibt
mich dazu.«
Als es dann jedoch soweit war, konnte ich mein Vorhaben nicht ausführen. Auf Befehl des Königs mußte ich seinem nächsten Feldzug
gegen die aufsässigen Protestanten folgen. Und weil Frau von Lichtenberg, nachdem sie gehört hatte, daß ihr Hôtel in meinen
Besitz käme, mich in einem Brief dringlich |278| bat, ich möge ihr das Geld recht schnell überbringen, sprang Bassompierre freundlicherweise für mich ein und brach unverzüglich
auf. Womit er eine gute Nase hatte, denn wenige Wochen später kündigten die Holländer den Waffenstillstand, den sie zehn Jahre
zuvor mit den spanischen Niederlanden geschlossen hatten. Und weil die Feindseligkeiten nun neu aufflammten, hätte Bassompierre
nur übers Meer nach Den Haag gelangen können, was weitaus gefährlicher gewesen wäre.
***
Wenig darauf erfuhr ich, daß Fogacer durch diskrete Bemühungen des Nuntius’ zum Domherrn mit Pfründe des Kapitels von Notre-Dame
ernannt worden war. Ich lud
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