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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Schmerz von dem Streit erfahren, der zwischen dem Herzog von
     Nevers und dem Kardinal von Guise ausgebrochen ist, und von dem Tohuwabohu, das daraus am Hof entstanden ist, indem die einen
     Partei für den Herzog nahmen und die anderen für den Kardinal.«
    »Wir haben alles Nötige dagegen unternommen«, sagte Ludwig knapp. Und ein wenig pikiert, daß der Nuntius hinsichtlich seines
     Hofes von Tohuwabohu gesprochen hatte, setzte er hinzu: »Seit Unser Aufbruch in den Krieg feststeht, denkt der Adel nur mehr
     daran, seine Pflicht zu tun, und die Aufregung, von der Ihr spracht, ist beendet.«
    »Dennoch«, fuhr der Nuntius unter neuerlicher Verneigung fort, »wurde Seiner Heiligkeit dem Papst diesen Zwischenfall betreffend
     nicht die Genugtuung, die er erwarten durfte.«
    »Welche Genugtuung?« fragte Ludwig, ohne die Form zu wahren, so sehr verwunderte ihn die Wendung, die das Gespräch nahm.
    »Seine Heiligkeit der Papst«, sagte der Nuntius, »möchte Euch vorstellen, daß die Einkerkerung eines Kardinals ein schweres
     Vergehen ist, für das es Absolution zu erbitten gälte.«
    Der König erbleichte, dann wurde er rot – ein Zeichen, daß |302| er seinen Zorn kaum zurückhalten konnte. Er faßte den Nuntius einen Moment schweigend ins Auge, der uns alle endlos dünkte
     und, ich wette, den Nuntius noch länger als alle anderen. Als er wieder das Wort nahm, zeigten jedoch weder seine Stimme noch
     sein Gesicht die geringste Erregung an.
    »Der König von Frankreich«, sagte er, »muß Seine Heiligkeit den Papst wegen der Einkerkerung des Kardinals von Guise nicht
     um Absolution bitten. Der Kardinal von Guise ist mein Untertan, und wenn er unrecht tut, verlangt die Gerechtigkeit, daß er
     bestraft wird wie jeder andere Unserer Untertanen auch.«
    »Sire«, sagte der Nuntius, »der Papst kann sich mit dieser Antwort nicht zufriedengeben.«
    »Das bedaure ich tief, aber ich kann Seine Heiligkeit nicht um Absolution bitten für ein Vergehen, das keines ist. Vergangen
     hat sich der Kardinal, indem er dem Herzog von Nevers Schimpf und Prügel antat.«
    »Aber ein Kardinal in der Bastille!« klagte der Nuntius und rang die Hände.
    »Er wird dort sehr gut behandelt«, sagte der König nach einem Schweigen. »Und ich weiß ihn lieber dort als auf der Wiese und
     im Begriff, mit dem Herzog von Nevers die Klingen zu kreuzen.«
    »Sire«, sagte der Nuntius, »anstatt den Kardinal von Guise einzukerkern, weil er sonst große Gefahr liefe, wäre es da nicht
     ziemlicher, ihn einige Zeit auf einem Schloß der Guises der Hut seines älteren Bruders zu unterstellen?«
    »Ich denke darüber nach«, sagte Ludwig.
    Damit grüßte er den Nuntius aufs neue und erhob sich zum Zeichen, daß die Audienz beendet war.
    Es erstaunt mich noch heute, mit welcher Geschwindigkeit dieses Gespräch – trotz der kleinen Zahl der beteiligten Personen
     – am Hof die Runde machte, am Parlament, in der Stadt, in den Provinzen um Paris und bald in ganz Frankreich. Dergestalt,
     daß Monsieur de Saint-Clair mir von Orbieu schrieb und fragte, was an der Sache sei. Und erstaunlich ist es auch, wie die
     Intervention des Nuntius’ die Meinung änderte, die man zu diesem Streit hatte. Bis dahin nahmen die Leute entweder Partei
     für den Kardinal oder für Nevers, aber, ohne es laut zu sagen, fanden alle nahezu einmütig, es sei ein Skandal, daß der |303| König einen Kardinal eingekerkert hatte. Nachdem nun die Intervention des Nuntius’ bekannt wurde, erwachte bei den Franzosen
     das gallikanische Bewußtsein, und nahezu einmütig gaben sie dem Papst unrecht und wünschten dem streitsüchtigen Kardinal,
     noch hübsch lange zu sitzen.
    Am selben Abend erhielt ich ein Billett, das mich unverzüglich zur Herzogin von Guise befahl, und ohne viel Federlesens forderte
     sie mich vehement auf, ihr beim König für den folgenden Tag eine Audienz zu erwirken.
    »Und was wollt Ihr ihm sagen, Madame, wenn ich fragen darf?«
    »Daß er den Kardinal auf eins unserer Schlösser schicken soll, wo Charles über ihn wacht.«
    »Madame, entschuldigt, aber diese Bitte ist völlig vergeblich. Die gewährt Ludwig Euch nie.«
    »Und warum nicht?« fragte meine liebe Patin.
    »Weil ihm ebendiese Möglichkeit vom Nuntius vorgeschlagen wurde und weil Ludwig nicht, indem er sie annimmt, den Eindruck
     erwecken will, er hätte sich dem Papst unterworfen.«
    »Papperlapapp, Söhnchen!« sagte die Herzogin, indem sie mit ihren kleinen Händen vor meiner Nase fuchtelte.

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