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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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»Ich weiß besser,
     was ich für meine Kinder zu tun habe. Die Bastille, pfui! Eins unserer Schlösser ist die beste Lösung für den armen Jungen.«
    »Madame, außer daß der arme Junge sechsundsvierzig Jahre alt ist und sein Leben lang von Torheit zu Torheit stolpert, sagte
     ich Euch bereits, daß der König diese Lösung niemals annehmen wird. Bitte, hört auf mich!«
    »I was, Monsieur! Ihr seid ein schlechter Bruder, wenn Ihr das nicht wollt! Diese Lösung ist eine gute Lösung! Das ist meine
     Meinung, und mein Beichtvater teilt sie.«
    »Euer Beichtvater, Madame? Wie sollte ein Jesuit auch anderer Meinung sein als der Nuntius!«
    »Gebt Euch keine Mühe, ich höre nicht auf Euch! Auf gar keinen Fall!« schrie die kleine Herzogin, indem sie sich die Ohren
     zuhielt. »Lauft, Monsieur! Lauft und bittet den König, daß er mich empfängt, oder ich will Euch im Leben nicht wiedersehen.«
    Ich gehorchte, und bestimmt wäre ich nicht so schnell gelaufen, hätte ich die Folgen dieser Audienz voraussehen können, |304| die ich für meine liebe Patin erbat. Es ging mir später noch oft durch den Sinn, daß Ursachen und Wirkungen sich manchmal
     mit so ironischer Dramatik verketten, daß wir eigentlich mehr über die Kurzsichtigkeit unseres Handelns nachdenken sollten.
     Hätte die verwitwete Herzogin von Guise sich dem König nicht zu Füßen geworfen und ihn unter Tränen angefleht, den Kardinal
     aus der Bastille freizulassen, und hätte der König sich nicht geweigert, wie ich es vorausgesehen hatte, ihn auf eines der
     Guise-Schlösser unter Aufsicht seines älteren Bruders zu schicken, gleichzeitig aber der berühmten Guise-Familie ein Zeichen
     seiner Gunst geben wollen, weil sie weder unter der Regentin noch unter ihm sich jemals einer Revolte der Großen angeschlossen
     hatte, dann wäre er nicht auf die Idee gekommen, meiner lieben Patin (und damit auch dem Papst) Genugtuung zu geben, indem
     er den Kardinal freiließ, ihn dafür jedoch verpflichtete, ihm auf seinem Feldzug gegen die Protestanten zu folgen. Und der
     Kardinal, seinem entehrenden Kerker vergnügt entronnen, hätte sich nicht an der Belagerung von Saint-Jean-d’Angély beteiligt
     und sich dort wie viele der Unseren ein Fieber geholt, an dem er am dreiundzwanzigsten Juni, einem strahlenden Sonnentag,
     starb, noch bevor Ludwig Saint-Jean-d’Angély gewonnen hatte.
    ***
    »Graf, auf ein Wort, bitte.«
    »Schöne Leserin, ich höre.«
    »Ich muß Sie einiges fragen, denn es beunruhigt mich, daß Ludwig sich in diesen Bürgerkrieg stürzt.«
    »Madame, er stürzt sich nicht, er ist dazu gezwungen. Würde Ludwig jetzt nicht zu den Waffen greifen, hätten wir bald ein
     geteiltes Land: ein nördliches Frankreich, das katholisch wäre, und ein südliches, in breitem Maße protestantisches.«
    »Aber, ist es nicht ein Bruch des Edikts von Nantes, einen Kreuzzug gegen die Protestanten zu führen?«
    »Nein, Madame, dies ist kein Kreuzzug. Weit entfernt. So fromm Ludwig auch ist, hat er den Hugenotten doch niemals die mindeste
     Feindseligkeit bezeigt, ganz im Gegenteil. Er hat die großen Ämter des Staates immer besetzt, ohne nach dem |305| Glaubensbekenntnis der Kandidaten zu fragen. In seiner Kindheit und Jugend liebte er den jungen Montpouillan sehr, einen Sohn
     des Herzogs de La Force, und entrüstete sich, als ein Prediger es wagte, die Religion seines Vaters anzugreifen. Mehr noch:
     Auf seinem Marsch gegen die rebellischen Hugenotten erfuhr er, daß in Tours der von Priestern aufgeputschte Pöbel sich auf
     einen toten Protestanten, den man zu Grabe trug, gestürzt, den Leichnam verbrannt, den Tempel verbrannt und den Friedhof geschändet
     hatte. Sofort schickte er Gardisten und Richter an den Ort, nach Untersuchung des Falls die Rädelsführer zu ergreifen und
     zu hängen.
    Im Jahr darauf scheute er sich nicht, Prinz Condé öffentlich zu tadeln, weil er in Toulouse an den Prozessionen der Blauen
     Büßer teilgenommen hatte, die sich in die Zeit der Liga zurückversetzt wähnten und zur Ausrottung der reformierten Religion
     aufriefen. Tatsächlich, Madame, nicht Ludwig, sondern, wie ich Ihnen wohl schon sagte, die Protestanten selbst hatten das
     Edikt von Nantes gebrochen, sowohl im Geiste wie nach dem Buchstaben.«
    »Richtig, das haben Sie gesagt. Die Protestanten, sagten Sie, hätten die Vorteile des Edikts in Anspruch genommen, aber seine
     Verpflichtungen abgelehnt. Haben Sie dafür Beweise?«
    »Ach, Madame, mehr als genug!

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