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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Louvre besucht, und Ihr habt Euch mit meinem Bruder, Monsieur de Tremblay,
     lange unterhalten.«
    »Ach, Pater Joseph!« rief ich aus, »Ihr seid es? Was sucht Ihr denn hier?«
    »Nun, ein Gespräch unter vier Augen mit Euch, wenn Ihr dazu gestimmt seid. Könnten wir uns nicht auf jene Bank dort am Ufer
     setzen? Ich bin sehr müde, denn ich habe die ganze Reise von Paris nach Arles zu Fuß gemacht.«
    »Setzen wir uns, Pater«, sagte ich. »Wollt Ihr heute nicht bei mir übernachten, um Euch von Euren Beschwernissen zu erholen?«
    »Nein, Herr Graf, tausend Dank, ich finde in dieser guten Stadt sicher ein Kapuzinerkloster, das mir Suppe und Lager gewährt.
     Herr Graf, ich sah Euch vorhin ganz vergnügt aus dem Kronrat kommen. Vergebt mir meine Neugier, aber darf ich fragen, was
     der Grund Eurer Freude ist?«
    »Ihr dürft, Pater, es ist kein Geheimnis. Der König hat mich soeben in den Kronrat aufgenommen.«
    »Herr Graf!« rief Pater Joseph, »das ist ein erstaunlicher Aufstieg für einen so jungen Mann! Erstaunlich und verdient, denn
     ich weiß wohl, daß Ihr sehr gelehrt seid. Wie ich hörte«, fügte er hinzu, »soll der Kardinal von Retz seine Seele ausgehaucht
     haben. Ist das wahr?«
    »Es ist leider wahr.«
    Nach einem Schweigen fuhr der Pater fort: »Ich weiß, daß Ihr dem König soeben den Eid geleistet habt, jedermann zu verschweigen,
     was im Rat gesprochen wird. Folglich«, setzte er mit Unschuldsmiene hinzu, »darf ich Euch nicht fragen, durch wen Seine Majestät
     den Kardinal von Retz im Rat ersetzt hat.«
    Ich mußte lächeln. Da stellte der Pater mir eine Frage, indem er sich verbot, sie mir zu stellen, und erwartete von mir, gleichzeitig
     verschwiegen und doch nicht verschwiegen zu sein. So gewiß er Kapuziner war, so gewiß roch dies nach Jesuit, und ich bekam
     Lust, seine Subtilitäten mit einer Subtilität gleichen Kalibers zu beantworten. Ernst sagte ich ein Wort, nur ein einziges,
     das aber Bände sprach: »Leider!«
    |366| Dieses »leider«, das die Hoffnungen begrub, die Pater Joseph für den Kardinal von Richelieu gehegt hatte, machte ihn kurze
     Zeit stumm, und sein Kopf verschwand völlig unter der Kapuze. Doch schien ihm dieses »leider« auch anzuzeigen, daß ich im
     stillen für Richelieu eingenommen war, und weil er augenblicks erfaßte, welche Vorteile ein mögliches Bündnis mit mir bringen
     könnte, bat er mich, meinen Gedanken zu erläutern.
    »Wenn ich Euch recht verstehe, Herr Graf«, sagte er mit einschmeichelnder Sanftheit, »billigt Ihr die getroffene Wahl nicht.«
    »Nein, nein«, entgegnete ich, »diese Wahl kann nur gut sein, weil Seine Majestät sie getroffen hat. Wenn Ihr mir jedoch erlaubt,
     von dieser Ernennung abzusehen und zu verallgemeinern, würde ich sagen: Wenn zwei Männer zur Wahl stehen, von denen der eine
     nur das Verdienst einer beruhigenden Mittelmäßigkeit hat und der andere anerkanntermaßen tausend Talente, kommt es oft vor,
     daß der erste vorgezogen wird aus Furcht vor dem Genie des anderen. Man scheut die Gefahr, von ihm beherrscht zu werden.«
    »Herr Graf, Euer Wort ist von schlagender Weisheit. Erlaubt Ihr, daß ich es weitergebe?«
    »Bitte, Pater«, sagte ich mit einem Lächeln, »aber nur einer bestimmten Person.«
    Woraufhin der Pater seinerseits lächelte und nach einer Weile fortfuhr: »Ich stelle mir vor, Herr Graf, daß Ihr nun sehr erleichtert
     seid, der Vormundschaft von Puisieux und seinem Vater im Kronrat enthoben zu sein.«
    »Aber nicht, weil ihre Vormundschaft schwer war, Pater. Was mir unerträglich schien, war ihre Politik, vielmehr ihr Mangel
     an Politik. Diese Minister bewirken für mein Gefühl nichts. Genauer gesagt, Vater und Sohn kümmern sich besser um ihre Eigeninteressen
     als um Frankreich. Wenn ich meine Gedanken auf den Punkt bringen sollte …«
    »Bitte, tut es!« sagte der Pater mit drängender Stimme.
    Doch ich antwortete nicht gleich. Meine Kehle war einen Moment wie verknotet, so sehr erregte mich, was ich zu sagen im Begriff
     war, denn es bedeutete eine folgenschwere Entscheidung für mein weiteres Leben.
    »Da ich von Puisieux und seinem Vater sprach«, sagte ich |367| endlich, »so bin ich mir völlig sicher, daß mit ihnen nie etwas Rechtes geschieht. Und ich bin fest überzeugt, daß überhaupt
     nie etwas Rechtes geschehen wird ohne die Euch bekannte Person.«
    Nun bin ich gesprungen, dachte ich, zugleich erleichtert, daß ich meine Ansicht geäußert hatte, und voll tödlicher Unruhe
    

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