Rosen für Apoll
das Weitersegeln der Perser verhinderte. Die Lage war lächerlich, und der Großkönig entschloß sich, den Knoten zu durchhauen. Er befahl einem Teil der Flotte, die lange Insel Euböa außen zu umsegeln und von Süden in den Sund einzudringen, um an die Thermopylen heran und Themistokles in den Rücken zu kommen. Gleichzeitig gab er das Zeichen zum Sturm auf den Engpaß. Er mußte genommen werden, gleichgültig, was dahinter stand.
Die Perser rannten achtundvierzig Stunden in ununterbrochenen Wellen gegen die Barrikaden an, vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang, immer wieder, über Berge von Toten; und immer wieder vergeblich. Am dritten Tage kam die Meldung, daß der Versuch, Euböa zu umschiffen, gescheitert war. Ein Sturm hatte auch die zweite Schlacht für die Griechen geschlagen.
Xerxes war am Ende seiner Weisheit. Vor ein paar Wochen noch hatte er die Griechen »einfach von einer Abteilung Feldgendarmen verhaften« lassen wollen. Jetzt saß er an den Thermopylen fest.
In diesem Augenblick kam ihm ein Verräter zu Hilfe. Ein einheimischer Bergbewohner verriet den geheimen Gebirgspfad, der über den Öta in den Rücken der Griechen führte. Den Namen des Verräters haben Sie sicher auf der Schule gelernt — vergessen Sie ihn. Solche Namen lohnen sich nicht.
In der Nacht überstieg die persische Leibgarde das Gebirge; bei Sonnenaufgang konnten die Griechen, als sie zufällig einen Blick zurückwarfen, die lange Kette der Feinde von den Höhen herabsteigen sehen.
Die Lage war plötzlich tödlich. Themistokles mußte unbedingt verständigt werden, daß die Thermopylen und damit sein einziger Rückzugsweg in wenigen Stunden verloren sein würden!
Eine bange Stunde verging. Endlich nahten die griechischen Schiffe! Eines nach dem anderen zwängte sich an den Thermopylen vorbei durch die Meerenge, fünf, zehn, zwanzig, fünfzig, hundert, hunderteins, hundertzwei, hundertdrei — es dauerte eine Ewigkeit, ehe die großen Kästen in dem Schlauch waren und in Richtung Athen verschwanden. Endlich schwamm die letzte Triere heran. Am Bug stand Themistokles und blickte zur Küstenstraße hinüber. Es war gekommen, wie er es vorausgesehen hatte; das Land mußte preisgegeben, die Entscheidung in der Falle von Salamis geschlagen werden. Oder?
Kein Oder.
An den Thermopylen begann der letzte Akt. Der Mann, der dort befehligte, war jener spartanische König und Feldherr, dessen Name für die Welt zum Mythos werden sollte: Leonidas. Die Zahl seiner Krieger, über die sich Xerxes so sehr den Kopf zerbrach, betrug siebentausend. Eine lächerliche Handvoll. Alles andere schwamm auf dem Wasser.
Um diese Handvoll, dieses wertvolle Häufchen, zu erhalten, befahl Leonidas, bevor die Perser die Straße abgeschnitten hatten, den Rückzug aller Krieger mit Ausnahme seiner dreihundert Spartiaten und einiger thebanischer Freiwilliger. Man brach fieberhaft auf, um wegzukommen, solange der Weg noch frei war.
Leonidas überblickte den Rest. Er kam ihm groß vor, und er entdeckte zu seiner Überraschung, daß siebenhundert Thespier zurückgeblieben waren. Sie baten Leonidas, mit ihm sterben zu dürfen.
Ich habe über diese Tatsache oft nachgedacht. Als ich noch sehr jung war, fand ich sie berauschend; als ich älter wurde, fand ich sie einen Kurzschluß des Herzens; heute kommen ab und zu Stunden, wo ich sie ganz zu begreifen glaube. Auch ich weiß, daß dieser Opfertod »sinnlos« war; dennoch wird er voll des Sinnes aus zwei Gründen, zwei sehr guten Gründen. Diese Thespier waren, wie damals noch alle Griechen, Herren. Ein Herr ist nicht jemand, der weiß, wie man Langusten ißt und gnädige Frau sagt, sondern ein Herr ist — das haben wir nur vergessen — , wer sich seine Forderungen an das Leben nicht abkaufen läßt. Nicht von einem Kutscher und auch nicht vom Tode. Und der zweite gute Grund: Ich denke mir, daß wir alle viel ärmer wären, wenn uns die Weltgeschichte niemals, nicht ein einziges Mal, an Hand eines solchen Beispiels mit diesem Gedanken bekannt gemacht hätte. Nicht wahr: Er ist geboren, der Gedanke; man kann ihn ablehnen, aber er bleibt im Blut.
Nun ja — zurück zu den Thermopylen.
Leonidas beschloß, nicht zu warten, bis in seinem Rücken die Feinde auftauchen würden. Er verließ die Barrikaden und stürzte sich auf Xerxes. Er wollte die Reise in die Ewigkeit mit der größten persischen Begleitung antreten, die sich schaffen ließ.
Die Schlacht muß ungeheuerliche Formen angenommen haben. Die
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