Rosen für die Kaiserin
Gerbert, der wie sie den kluniazenischen Reformgedanken anhing, große Wertschätzung entgegenbrachte. Den eifrig mit Worten fechtenden Männern blieb verborgen, wie sehr sie mitunter ihre Zuhörer überforderten.
»Nun, mein Kaiser, wen seht Ihr als Sieger unserer Disputation?«, fragte Gerbert, der jüngere und eloquentere der beiden, nachdem er und sein Gegenüber sich ausnahmsweise müde geredet hatten.
»Wie könnte ich darüber entscheiden?«, lachte Otto, »ich bin nicht Richter, führe nur den Vorsitz über die Gesprächsrunde.«
»Doch seid Ihr ein belesener und kluger Herrscher«, wandte Ohtrich ein.
»Vorsicht!«, rief Gerbert und hob mit gespielter Entrüstung einen Zeigefinger. »Er will Euch schmeicheln, mein Kaiser. Da er ein Sachse ist wie Ihr, glaubt er sich auf solche Weise einen Vorteil zu verschaffen.«
»Nun, die Kaiserin ist keine Sächsin«, dachte Otto laut nach. »Vielleicht fragen wir sie, wer die besseren Argumente vorzuweisen hatte.«
Eine vorzügliche Idee sei dies, stimmten Ohtrich und Gerbert unisono zu. Theophanu, die es vorgezogen hatte, abseits auf einem gepolsterten Sessel Platz zu nehmen, bedachte ihren Gemahl mit einem tadelnden Blick. Otto konnte sich ein verstohlenes Grinsen nicht verkneifen, als freue er sich diebisch darüber, ihr einen neckischen Streich gespielt zu haben.
Die beiden Gelehrten näherten sich dem Sitz der Kaiserin mit ehrfürchtig gesenktem Haupt, gingen sogar vor ihr auf die Knie.
»Vergebt uns, werte Kaiserin«, begann Ohtrich mit leiernder Stimme, »aber wir würden uns glücklich schätzen, wenn Ihr das Amt der Richterin über unsere Disputation ausüben würdet.«
»Es wäre uns eine große Ehre«, fügte Gerbert hinzu. Siegesgewissheit blitzte in seinen Augen.
Theophanu fand, dass es einen Versuch wert sei, die berühmten Gelehrten in Verlegenheit zu bringen.
» Mich wollt Ihr um mein Urteil bitten?«, fragte sie mit erhobenen Brauen. »Obgleich Ihr Euch dessen bewusst seid, dass ich nur eine Frau bin?«
»Jeder weiß, dass Ihr nicht nur schön, sondern auch außergewöhnlich klug seid, Herrin«, erwiderte Gerbert ohne langes Zögern.
Ohtrich ließ ein empörtes Glucksen vernehmen. »Nun seid Ihr es, Gerbert, der sich durch Schmeicheleien Vorteile verspricht. Obwohl Eure Worte natürlich wahr sind. Mehr als wahr.«
»Meine Worte sind immer wahr, mein lieber Ohtrich. In diesem Augenblick nicht weniger als vorhin, als ich Eure angebliche Beweisführung zerpflückte.«
»Eben das habt Ihr nicht getan«, widersprach der Sachse kopfschüttelnd. »Ihr glaubt die Dialektik wohl erfunden zu haben, doch habt Ihr die eigentlich Frage nach der Ursache der Wissenschaften nicht beantwortet.«
»Doch, das habe ich getan, mein guter Ohtrich, und zwar ausgiebigst. Nur habt Ihr mir allem Anschein nach nicht zugehört.«
»Genug, meine Herren!«, rief Otto ihnen applaudierend zu. »Nun, meine Gemahlin, wollt Ihr Euch denn nicht äußern zu alldem, was hier gesagt wurde? Auch ich selbst bin unschlüssig und wüsste nur zu gern, wie Ihr über die Thesen dieser großen Männer denkt.«
Theophanu wiegte lächelnd den Kopf hin und her, entschlossen, sich selbst einen Spaß aus der Angelegenheit zu machen. »Es ist keine einfache Entscheidung«, erklärte sie. Glockenhell klang ihre Stimme durch den Saal.
Schmachtend sahen Ohtrich und Gerbert sie an.
»Dennoch neige ich dazu«, fuhr sie langsam fort, »einen der beiden Herren zum Sieger zu erklären.«
Sie schwieg. In der Halle entstand gebanntes Schweigen. Es war Otto, der es letztlich brach, da er seine Neugier nicht länger zähmen wollte.
»Spannt uns nicht auf die Folter«, bat er Theophanu, »und sagt uns, wessen Argumente Ihr für die plausibleren haltet!«
Theophanu lächelte erst ihren Gemahl, dann die beiden Gelehrten an. »Nein!«, verkündete sie dann zur Überraschung aller, ohne dass ihr Lächeln erstarb.
»Aber warum denn nicht?«, forschte der Kaiser.
»Ich halte es nicht für angebracht, meine Meinung hier kundzutun, werter Gemahl.«
»Obwohl es unsere ausdrückliche Bitte an Euch ist?«, wunderte sich Gerbert.
»Meine Meinung in dieser Sache ist nicht im Geringsten von Belang.«
Gerbert räusperte sich. »Würde es nicht von großem Mut zeugen, sie uns dennoch kundzutun?«
»Ihr haltet mich für feige, Gerbert von Aurillac?«
Zum ersten Mal zeigte sich der Aquitaner kleinlaut. »Gott behüte. Niemals würde ich solches von Euch denken, Herrin.«
»Mut, so denke ich, zeigt sich
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