Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05
paar Krieger aus Frandreds Einheit; einige Bauern, die zum Markt in die Stadt gekommen waren; Petros, der stellvertretende Bürgermeister; und Lou Riccetti. Der Ingenieur schaute ihnen mit steinernem Gesichtsausdruck entgegen, verschränkte ungeduldig die Finger und schob - vielleicht aus Sorge, vielleicht aus Unmut - die Unterlippe vor.
*Es gibt Neuigkeiten*, meldete der Drache, als er mit einem Plumps im Gras landete. In seiner Gedankenstimme schwang unterdrückte Erregung. *Über deinen Vater.*
»Jason«, sagte Lou Riccetti, »rasch: wie viele von euch sind in Melawei zurückgeblieben?«
»Zwei. Ahira und Walter Slowotski.«
»Dann«, sprach Lou Riccetti weiter und wählte seine Worte mit großer Sorgfalt, »ist es möglich, daß dein Vater noch lebt. Mir ist etwas zu Ohren gekommen, was zu dieser Hoffnung Anlaß gibt. Kommt herein. Wir müssen mit Aldren sprechen.«
Kapitel dreizehn
›Alle Menschen sind gleich ...‹
Wir rühmen uns der Emanzipation von den meisten Formen des Aberglaubens; doch falls wir überhaupt irgendwelche Idole vom Sockel gestoßen haben, dann nur durch unsere Hinwendung zu anderen Götzen.
Ralph Waldo Emerson
Ich habe den Eindruck, daß wir alle im Laufe der Zeit zusehends legendenhafte Züge annehmen. Und ›Legende‹ heißt im Grunde ›großer Mist!‹.
Walter Slowotski
Ein Händler hatte erst vor einem Zehntag die Nachricht von Karl Cullinanes Tod überbracht.
Lou war nicht sicher gewesen, ob er es glauben sollte oder nicht.
Dann kam Aldren nach Heim.
»Soviel ich weiß, war ich als einer der letzten noch unterwegs, um nach euch zu forschen«, berichtete Aldren, als sie im Wohnraum des Neuen Hauses beisammen saßen. »Ich gab mich als Söldner aus, auf der Suche nach Arbeit.« Er lehnte sich in dem großen Ledersessel neben dem Kamin zurück und nahm einen Schluck aus einem riesigen Bierkrug. Im Schein der tanzenden Flammen sah er ziemlich durchschnittlich aus: um die Vierzig, mit grauen Strähnen im unordentlich gestutzten braunen Bart, ein paar Narben an den Händen und Lachfalten um die Augen. »Ich muß etwa drei Zehntage nach eurer Abreise in Pandathaway eingetroffen sein, und ich überlegte, daß ihr euch, da Ahrmin mit seinem Heer bereits abmarschiert war, vermutlich entschlossen hattet, Karl zu folgen.
Das, so schien mir, machte eine weitere Suche nach euch überflüssig. Zur Vorsicht wandte ich mich dann doch nach Norden und reiste ein Stück die Küste hinauf, weil ich es für eine gute Idee hielt, mir einen Überblick über die Stützpunkte der Gilde in den Hafenstädten zu verschaffen. Bis jetzt haben wir Aktionen in der näheren Umgebung von Pandathaway vermieden, aber vielleicht werden wir in Zukunft unsere Taktik ändern müssen.
Wie auch immer, ich stellte fest, daß auffallend wenige Gildeleute unterwegs waren - überall nur Stammbesatzungen, und ihre Angst ließ sich fast mit den Händen greifen.«
Er leerte den Krug; Lou Riccetti höchstpersönlich füllte aus dem in einer Ecke aufgebockten Faß nach.
»Ich bilde mir nicht ein, ein Künstler mit dem Schwert zu sein, auch mit Schußwaffen kann ich nicht besonders gut umgehen, aber zwei Dinge beherrsche ich wirklich gut: Ich vermag mich glaubhaft jeder Umgebung anzupassen und trinke ohne weiteres auch zwei Männer unter den Tisch. Ich verleitete einige der Gildeleute zum Trinken, und dann füllte ich sie gehörig ab. Und sie fingen an zu reden.
Es scheint, daß Ahrmin und alle, die mit ihm an Land gegangen sind, in Melawei den Tod gefunden haben.«
Das überraschte Jason nicht; Walter Slowotski hatte gesagt, er würde dafür sorgen, daß niemand nach Pandathaway zurückkehrte, um damit zu prahlen, Karl Cullinane getötet zu haben.
»Als der Entsatz eintraf, stanken sie in der Sonne. An eine der Leichen war eine Botschaft geheftet, teils in einer Sprache abgefaßt, mit der die Sklavenhändler nichts anfangen konnten, und teils in Erendra. Die Nachricht war mit drei verschiedenen Zeichen signiert. Der Teil in Erendra lautete: Der Krieger lebt.
Ich wette, ihnen sind die Ohren heiß geworden, aber was konnten sie tun?«
Jason mußte schlucken. Der Krieger lebt. Genau das hatte ein Unbekannter in der Kneipe in Enkiar gesagt. Er trat ans Feuer und ließ die Finger über den Kaminsims gleiten. Kaum gemildert von dem dünnen Stoff seiner Hosen, brandete die Hitze der Flammen sengend gegen seine Beine.
Draußen raschelten lederne Schwingen in der Dunkelheit.
*Was hältst du davon?*
Ich weiß nicht.
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