Rosenmörder (German Edition)
Andacht um?«
Ottakring war kurze Zeit später da. Er hatte unten den Förster
getroffen, der ihn mitnahm. Sein röhrender Porsche hätte die glitschige
Steigung des Forstwegs nicht in hundert Jahren bewältigt.
Auf dem kalten, ausgetretenen Stein vor der Leiche kniend drehte
sich Ottakring zu Bruni um. »Den kenn ich«, sagte er. »Ich weiß auf die
Schnelle bloß nicht woher.«
Die Frage klärte sich rasch.
Der korpulente Tote lag mit ausgestellten Beinen auf dem Bauch. Auch
sein Gesicht zeigte nach unten. Der linke Arm fehlte unterhalb des Ellenbogens.
Aus dem eingerollten Ärmel des Stummels war Blut geronnen, das wie roter Leim
an den kirchlichen Steinfliesen klebte. Der Mann war mit Anorak und kurzer
Wanderhose bekleidet, die Füße steckten in teuren Laufschuhen. Eine fast
handgroße graue Spinne kletterte gemächlich über seinen Rücken.
»Ja klar kenn ich den«, platzte Ottakring heraus. Jetzt, da er
wusste, wer der Tote war, wirkte er wie von einer Last befreit. »Alois Engel.
Der Bürgermeister von Aschbach. Ja Sakradi, wer bringt den denn um?«
Er deutete auf den Hals des Toten. »Doc«, wandte er sich an den
Arzt, »schauen Sie sich das bitte einmal genauer an.«
Tiefe grabenähnliche Würgemale, wie von einer Schnur oder einem
Draht, zeugten von einem quälend langsamen Tod.
»Wo ham Sie gesessen?«, fragte er Karl, den Bergläufer.
Karl klopfte als Antwort auf die Rückenlehne der letzten Bankreihe.
»Also«, wies Ottakring die ED ler
um Bruni an, »bearbeitet diesen Platz. Da hat vermutlich auch der Mörder
gesessen. Passt auf, dass ihr die Spuren nicht mit denen von dem Herrn da
verwechselt.« Er wandte sich dem Arzt zu: »Todeszeitpunkt?«
»Tod um ungefähr halb acht in der Früh«, sagte der Arzt. »Kommt denn
einer von der Rechtsmedizin?«
Statt einer Antwort rief Ottakring in die Runde: »Hat einer die
Staatsanwaltschaft verständigt?«
Bruni bildete mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand einen
Kreis. Sein ausgezehrtes, knochiges Gesicht wies ihn als eisenharten
Mountainbiker aus.
»Wahrscheinlich kommt Goldner«, sagte Ottakring. »Der soll die
Rechtsmedizin ordern. Wenn die Staatsanwaltschaft entscheidet, übernimmt die
Staatsanwaltschaft die Kosten. Wenn wir anordnen, zahlt die Polizei. Dem da
drin können wir eh nicht mehr helfen. Bleiben Sie bitte so lange da, Doc.«
Als Bruni die Arbeit an der Bank beendet hatte, ließ er Karl in der
letzten Reihe Platz nehmen. »Genau da, wo Sie vorhin gesessen haben.«
Er ließ sich beschreiben, wie Karl den toten Engel berührt hatte und
wie der Körper nach vorne weggeplumpst war.
Ottakring warf einen Blick auf die Uhr und nickte. »Holt mal die
Wirtin rüber.«
Anni kam über den Kies zwischen Wirtshaus und Kircherl angeschlurft.
Sie hielt ein Tablett mit zwei Kannen Kaffee und einem ganzen Rudel Tassen vor
sich hin.
»Hast koa Weißbier?«, nörgelte Ottakring.
Der Arzt warf ihm einen prüfenden Blick zu.
»Um halb acht«, wandte sich Ottakring an die Wirtin, »wo waren Sie
da? Haben Sie vielleicht …?« Der Rest seiner Frage ging in einem
grässlichen Schrei unter.
»Naaa – der Loisl – des gibt’s ja net – naaa …«
Anni hatte den Toten im Kircherl erspäht.
Nein, sie habe niemanden gesehen, auch nicht den Alois. Der sei oft
hier raufgekommen, immer allein, habe höflich Grüß Gott durchs offene Fenster
gerufen, war aber noch nie bei ihr eingekehrt. Ja, sie kenne den Alois schon
lange. Sie hatten sich geduzt und hie und da auf einem Fest getroffen. Das war
alles. Dass er Bürgermeister war, wusste sie gar nicht.
Einen traurigen Moment lang musste Ottakring intensiv daran denken,
wie er mit Herrn Huber regelmäßig auf den Berg gegangen war. Das war jetzt
vorbei. Ottakring musste sich zusammenreißen, sich nichts anmerken zu lassen.
Mit zitternden Lippen schüttelte er den Horror ab. Er konnte sich nicht
entsinnen, jemals so betroffen gewesen zu sein. Nicht einmal beim Tod seiner
Mutter.
Sie sei um halb acht in der Küche gewesen, gab Anni an, das wisse
sie genau, und die Küche schaut nach hinten raus. Da sieht man nix und hört man
nix.
Da sieht man nix und hört man nix. Das war auch das vorläufige
Ergebnis der Spurensicherung. Engels Privatfahrzeug, ein Dreier BMW , fand sich auf dem Wanderparkplatz am Fuß des
Hügels. Im Kofferraum unbenutzte Wanderstöcke. Sonst auch dort keine
Auffälligkeiten.
Wenigstens der Doc hatte einen vorläufigen Befund. Er schätze, Alois
Engel sei mit einem
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