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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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und auf einmal wurde mir von dem feuchten rosafarbenen Fleisch übel. Also warf ich den ungeschnittenen Rest in die Marinade und stellte alles in den Kühlschrank.
    »Du glaubst ja nicht, wie überrascht ich war«, begann Charlotte von Neuem, als ich mich zu ihr an den Küchentisch setzte, »als ich eine E-Mail von Sally Pilkington bekam, in der sie schrieb, wie schade es doch sei, dass ich nicht zu eurem Kaffeetrinken kommen konnte.«
    »Oh ... das.« Ich merkte, wie meine Wangen zu glühen begannen.
    »Ja, das. Was hast du dir denn dabei gedacht, sie anzuschreiben? Dich mit ihr zu treffen?«
    »Ist das denn so wichtig? Wir haben nur ... über alte Zeiten geredet.«
    »Aber wieso sie? Und warum hast du mir nichts davon gesagt?«
    »Na ja, wir hatten darüber gesprochen, dass sie vielleicht etwas wissen könnte über ...« Ich verstummte. Eigentlich wollte ich den Looking Glass nicht wieder ansprechen, denn an dieser Front herrschte gerade mal seit ein paar Tagen Ruhe.
    »Über was?« Charlotte verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Den Looking Glass «, gab ich unglücklich zu.
    Charlotte verdrehte die Augen. »Blödsinn, Nora!«
    »Was?«
    »Kannst du mir dann vielleicht erklären, wieso sie möchte, dass wir uns morgen alle mit ihrem Bruder zum Kaffeetrinken treffen?«
    »Wirklich?«
    »Ja!«
    Sprachlos musterte ich Charlottes tieftrauriges Gesicht. Traf es sie wirklich so sehr, dass ich mich hinter ihrem Rücken mit der unscheinbaren Sally Pilkington verabredet hatte? Oder hatten sie die Laborergebnisse umgehauen? Möglicherweise begriff sie erst jetzt so richtig, dass Rose tot war.
    »Ist das ein ... Problem?«, fragte ich.
    »Das werden wir ja sehen, oder?«
    »Dann hast du zugesagt?«
    »Ja.« Erst jetzt zündete Charlotte sich die Zigarette an und zog gierig daran. »Ich hatte nicht den Eindruck, als bliebe mir viel anderes übrig. Wir sind morgen um zehn in Fairville verabredet.«
    »Was verschweigst du mir, Charlotte? Ich begreif das nicht. Klar, das hört sich nicht nach dem spaßigsten Samstagmorgen an, den ich je hatte, aber du hättest dir ja auch eine Ausrede einfallen lassen können. Außerdem verstehe ich nicht, wieso du so sauer auf mich bist.«
    »Ich bin nicht sauer auf dich!«, brüllte Charlotte und zerquetschte ihre kaum gerauchte Zigarette im Aschenbecher. »Wie kommst du überhaupt darauf, dass es um dich geht? Ist dir vielleicht mal der Gedanke gekommen, dass ich eine beschissene Woche hatte?«
    Sie stand auf und trampelte ins Wohnzimmer.
    Ich folgte ihr und fand sie, wie sie in das Aquarium mit den Goldfischen starrte.
    »Nora«, sagte sie, »gibt es irgendetwas, was du mich fragen wolltest? Gibt es vielleicht irgendetwas, was du Sally gefragt hast, was du eigentlich aber mich hättest fragen sollen?«
    Für einen Moment grübelte ich über die Frage nach. Hätte ich Charlotte zuerst fragen sollen, ob die Gedichte von Sallysein könnten? Hätte ich Charlotte zuerst fragen sollen, ob zwischen Brian und Rose etwas gewesen war?
    »Ähm ... nein«, antwortete ich unsicher.
    Charlotte nahm die Fischfutterdose und streute eine ziemlich eindrucksvolle Menge Futter ins Aquarium.
    »Denkst du an etwas Bestimmtes?«, fragte ich.
    Sie unterbrach ihr Futterschütten und beobachtete, wie ein paar der Fische an die Oberfläche geschwommen kamen.
    »Nein«, antwortete sie, seufzte und fütterte dabei weiter die Fische.
    »Du weißt schon, dass diese Fische explodieren werden, oder?«
    Charlotte knallte die Futterdose neben das Aquarium.
    »Dann sollen sie doch explodieren! Kaufen wir eben neue, wie immer!«
    Mit diesen Worten sank sie neben mir auf die Couch und vergrub das Gesicht in den Händen. Mehrere Minuten lang sagte sie nichts.
    »Möchtest du darüber reden?«, fragte ich schließlich.
    Charlotte rieb sich die Augen, stand auf und ging zurück in die Küche, um ihre Umhängetasche zu holen.
    »Da gibt’s nichts zu reden«, brummelte sie vor sich hin.
    Und das meinte sie offenbar wörtlich. Während des Abendessens sprachen wir kaum, zumal sie vorschlug, dass wir vor dem Fernseher aßen. Ein paar Stunden später – noch vor den Nachrichten – wünschte sie mir eine gute Nacht und ging ins Bett.
    Sally und Brian waren vor uns dort. Brian wirkte trotz des Rollstuhls ziemlich professorenhaft. Sein Gesicht sah noch jünger aus als Sallys, auch wenn sein Haar für sein Alteretwas zu viele graue Strähnen aufwies. Ein sauber gestutzter Kinnbart täuschte kaum über die jungenhaften Züge hinweg.

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