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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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Liebes, er hatte keine Leukämie.«
    »Das ist gut«, meinte ich. Ich wusste nicht, was ich sonst hätte sagen sollen. Meine ersten Fragen schienen sie bereits so traurig gemacht zu haben, dass ich es für das Beste hielt, die anderen gar nicht erst zu stellen. Zumindest vorerst nicht.
    An jenem Tag zeigte sie mir nach dem Abendessen ein Bild von ihm. Darauf trug er eine Red-Sox-Mütze, blinzelte in die Sonne und hatte eine Thermoskanne in der Hand. Er sah viel jünger aus als Charlottes Dad.
    »An dem Tag haben wir ein Picknick gemacht. Und wir haben geangelt.«
    Ich nickte, als wäre damit alles geklärt. Damit hatte sich das Thema erledigt, bis ich zur Highschool ging und plötzlich, völlig unerwartet, wieder von meinem Vater die Rede war. Hätte ich geahnt, dass es so lange dauern würde, hätte ich wohl doch eine oder zwei Fragen mehr gestellt.
    »Ach, bin ich froh, dass du hier bist«, sagte meine Mutter, nachdem ich ihr erklärt hatte, warum ich auf einmal aufkreuzte. Ich behauptete, dass ich ganz spontan Charlotte besucht hätte und dass ich geplant hätte, sie morgen anzurufen, um etwas zu verabreden, Charlotte aber nach der Arbeit heute Abend so erledigt gewesen sei, dass ich beschlossen hätte, doch schon früher zu ihr zu fahren.
    »Wenn ich doch nur gewusst hätte, dass du kommst.« Meine Mutter setzte sich neben mich auf die Couch und ihren Kater Bilbo auf ihren Schoß. »Bill hätte dich bestimmt gern gesehen, aber er ist bis nächsten Dienstag weg.«
    Bill war der Mann, mit dem meine Mom seit etwa einem Jahr ausging. Er war mit ihr letztes Jahr zu Thanksgiving nach Virginia gekommen. Das war wirklich eine Überraschung gewesen, denn soweit ich wusste, hatte sie seit meinem Vater keine ernsthaften Dates gehabt. Sehr selten mal war sie früher mit jemandem essen gegangen, aber wenn sie nach Hause kam, erzählte sie mir gewöhnlich, der Mann sei entsetzlich langweilig gewesen oder habe einen furchtbaren Film für sie ausgesucht.
    »Tut mir leid«, entschuldigte ich mich nun. »Es war wirklich ein ganz spontaner Einfall.«
    Meine Mutter nickte und kraulte Bilbos Nackenfell. Der Kater hatte langes graues Haar, gelbliche Augen und einen kleinen dunkelgrauen Fleck an der Nase. Ich hatte ihn von Anfang an unglaublich hässlich gefunden, aber nun erinnerten mich seine Kopfform und die winzige Linie, die sein Maulwar, an die Zeichnungen von Aliens in Charlottes Büchern. Katzen hatte ich sowieso noch nie besonders gemocht. Ihre Anmut beschämte mich.
    »Ich schätze, du hast von Rose gehört«, sagte ich.
    »Natürlich«, antwortete meine Mutter und kraulte Bilbos Ohren.
    Bei Mrs. Crowe waren Haustiere verboten gewesen, doch nachdem ich aufs College gegangen war, hatte meine Mutter sich Bilbo aus dem Tierheim geholt. Sie bekam ihn umsonst, weil er schon älter war und niemand ihn wollte. Angeblich sollte er am nächsten Tag eingeschläfert werden.
    »Ich wusste nicht, ob ich dich anrufen sollte, als ich davon hörte«, erklärte sie jetzt. »Ich war mir einfach nicht sicher, weil ich dachte, du wolltest das alles vielleicht nicht noch einmal durchleben.«
    Ich kippte meine Bonbonschachtel ein wenig und ließ mir eins in den Mund fallen. In der halb leeren Packung machten die kullernden Bonbons ziemlichen Lärm.
    »Möchtest du?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits kannte.
    Meine Mutter verzog angewidert das Gesicht und schüttelte den Kopf.
    »Na ja, ich habe dann ja doch davon gehört. Von Charlotte.«
    »Komisch, dass sie dich nach all den Jahren anruft. Besuchst du sonst noch jemanden? Außer Charlotte, meine ich.«
    »Ja, dich.«
    »Das ist alles?«
    »Ich habe Toby Dean getroffen. Wir waren auf ein Bier aus.«
    »Toby mochte ich immer gern. Wie geht es ihm?«
    »Gut. Er scheint jeden in der Stadt zu kennen.«
    »Tja, so ist das, wenn man die Autos der Leute repariert.«
    Ich nickte. »Ja, so ist das wohl.«
    »Er hat es nicht leicht gehabt. Sein Vater starb so früh, und dann hat er diesen Faulenzer von Bruder. Toby ist wie ein Vater für ihn; er kümmert sich um jeden.«
    Wieder nickte ich.
    »Armer Walter«, sagte meine Mom. Gemeint war Tobys Dad. »Es war wirklich hart für ihn, als Tobys Großmutter so schwer krank wurde. Bis dahin hatte er ja nie allein für die Jungen sorgen müssen. An manchen Tagen wusste er weder ein noch aus. Ich glaube, da fing er an zu trinken, und mit dem Geschäft ging es bergab. Aber schließlich riss er sich am Riemen und hielt die Werkstatt über Wasser.

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