Rosenrot
hast in Notwehr getötet. Ein einziges Mal, genau wie ich. Danne Blutwurst, falls du dich an ihn erinnerst.‹ Hjelm erwidert: ›Du interessierst dich ja mächtig für meine geringe Person, Dag Lundmark. Warum das?‹ Lundmark antwortet: ›Weil du so ein Held bist.‹
Hier hielt Paul Hjelm den Film an. Er kratzte sich am Kopf. Sara sagte: »Du bemerkst ziemlich früh, dass er alles in deine Richtung dreht. Und er hat keine richtig gute Antwort darauf. Dieses ›Weil du so ein Held bist‹, ist recht blass. Es fällt aus dem Rahmen.«
»Ja, du hast recht. Es ist das erste Mal, dass er etwas aus dem Gleichgewicht kommt.«
Der Film lief weiter. Plötzlich sagt Kerstin: ›Du hast uns haben wollen, nicht wahr? Du hast dich geweigert, mit der Internabteilung zu reden, wenn sie nicht gerade Paul und mich hinzuzögen ... Warum? Es sieht ja nicht so aus, als wolltest du ein Geständnis machen. Was willst du denn dann?‹
Paul drückte mit Nachdruck auf die Maustaste und sagte: »Sie merkt es so früh. Warum haben wir da nicht tiefer nachgebohrt? Sie kommt plötzlich darauf, dass er verlangt haben muss, mit uns zu sprechen. Und dennoch sagt er nichts Vernünftiges. Was will er? Er will ihr etwas sagen, ihr etwas einpflanzen, etwas, was wachsen und viel später zu einer Einsicht werden soll. Wenn er schon auf und davon ist. Sara, was meinst du?«
»Es kann so sein. Aber noch gibt es nichts, was darauf hindeutet.«
»Aber unmittelbar danach, wenn ich mich nicht irre. Er stürzt sich unmittelbar auf diese Eckkneipe, in der sie sich verlobt haben. Er fährt sogar grobes Geschütz auf, um ihren Verdacht zu entkräften. Wir machen weiter.«
Dag Lundmark beobachtete jetzt seine frühere Verlobte mit scharfem, fast brennendem Blick. Nach einem kürzeren Wortwechsel erwähnt er Ravanelli. Hjelm sagt etwas Dämliches über einen Fußballspieler. Aber Lundmark lässt sich nicht aufhalten. ›Ravanelhs Eckkneipe in Haga. Herbst ‚92. Ganz in Rot eingerichtet. Brennende Kerzen auf den Tischen, ein Armvoll Rosen. Und der Ring da.‹ Er zeigt auf Kerstins Hand. Sie sagt recht kühl: ›Auch viele Wasser löschen die Liebe nicht.‹ Worauf Dag Lundmark einen ganzen Sermon von sich gibt: ›Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer ist fest wie die Hölle. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn. Dass auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen, noch die Ströme sie ertränken. Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so könnte das alles nicht genügen.‹
Das Bild stand still. Paul saß reglos. Sara sagte: »Jesses, was für ein Zitat. Das Hohelied, oder? ›Liebe ist stark wie der Tod.‹ Sitzt das wirklich noch drin nach all den Jahren und nach all dem Alkoholkonsum? Sind diese Worte in ihn eingebrannt? Oder hat er sie auswendig gelernt?«
»Mit Generalprobe«, sagte Paul abwesend und streckte die Hand nach dem braunen C Umschlag aus.
»Mensch, verdammt«, fügte er hinzu. »Hier haben wir‘s doch. Lies dies mal. Die Analyse deines Vaters von dem Zettel aus Max Sjöbergs Brieftasche.«
Sara nahm die Papiere und überflog sie. Paul versank in sich selbst. Auch wenn es nur losgerissene Wörter waren, hätte er reagieren müssen. Eindeutig hatten sie Kerstin dazu gebracht zu reagieren. All dies ›Herz‹, ›Eifer‹, ›Glut‹, ›Flamme‹, ›Liebe‹. Und ›Wasser‹, vor allem ›Wasser‹.
›Auch viele Wasser.‹
»Ja«, sagte Sara. »Natürlich ist es das. Satz eins: ›mich‹, ›dein‹, ›Herz‹, ›Arm‹. Satz zwei: ›stark‹, ›Eifer‹, ›Glut‹, ›Flamme‹. Satz drei: ›Wasser‹, ›auslöschen‹, ›Ströme‹. Und Satz vier: ›gut‹, ›geben‹, ›Hause‹, ›Liebe‹, ›genügen‹.«
»Was ist denn eigentlich passiert?« fragte Paul. »Eine gute Woche bevor Dag Lundmark im Vernehmungsraum sitzt und
die Verse aufsagt, hat er Max Sjöbergs Leiche einen Zettel in die Brieftasche gesteckt, auf den er einzelne Wörter daraus geschrieben hat. Er hat sie mit Tinte geschrieben, vermutlich, damit die Worte zerfließen und unleserlich werden. Was für einen Sinn hat das? Dass nur Kerstin sie erkennen soll? Und ihn verfolgen soll? Falls es so ist, ist ihm sein Vorhaben perfekt gelungen. Während wir in der Kampfleitzentrale saßen und auf sie warteten, hat sie das hier gelesen. Alle Puzzlesteine lagen plötzlich an ihrem Platz. Und sie macht sich an seine Verfolgung.«
Sara
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