Rosentod: Thriller (German Edition)
übrigen Beamten der Betrugsgruppe Platz zu nehmen.
Sie tut ihm den Gefallen.
Die Männer sind höflich. Alle verhalten sich so, als hätte sie immer schon dazugehört. Sie erkundigen sich nach ihren Verletzungen und unterhalten sich ganz zwanglos mit ihr. Auch die Blicke der Beamten an den anderen Tischen sind heute völlig anders als sonst.
Die Gaumenfreuden? Na ja. Das Reisfleisch schmeckt fad, und das Dessert ist zu stark gesüßt, aber der Chefinspektorin ist das egal. Sie isst den ganzen Teller leer.
Es folgt das Pressegespräch. Die Journalisten sitzen im Festsaal. Ob man inzwischen von einem Verbrechen ausgehe, will ein Journalist wissen. Nüssler schaut Ulla fragend an. Die nickt.
Ja, gesteht der Major daraufhin zögernd. Mittlerweile wären gewisse Anzeichen dafür vorhanden. Er ersuche darum, das Bild der Vermissten durch wiederholte Veröffentlichung so bekannt wie möglich zu machen. Man sei auf Tipps aus der Bevölkerung angewiesen.
Danach bringt der Major ausgewählte Zitate aus Ullas Erhebungsbericht.
Ulla hat genug gehört. Sie verdrückt sich. Gegen 14.30 Uhr besucht sie Elkes Mutter und spielt ihr die Tonaufzeichnung der Taxianforderung vom Samstagmorgen vor. Anna-Maria Röhm identifiziert die Anruferin als ihre Tochter. Den Rest des Nachmittags verbringt die Chefinspektorin damit, zwei Jugendfreundinnen Elkes zu befragen. Die beiden hatten aber leider nur wenig Kontakt zu ihr und können zu ihrem Verschwinden überhaupt nichts sagen. Bevor sie ihren Arbeitstag beschließt, ruft sie Frank an. Der hebt zwar ab, legt aber sofort wieder auf, als er Ullas Stimme hört. Feigling, denkt sie sich. Was ist der Kerl doch für eine Flasche.
Zwar sind die Straßen noch nass, aber der kurze Wintereinbruch ist anscheinend wieder vorbei. Am Abend wird die Stadt ruhiger. Ulla auch. Sie spürt den Wind im Nacken, als sie über die Winkelfeldbrücke nach Hause geht, und trotz der Schmerzen in Kiefer und Brustkorb fühlt sie sich gut dabei. Dann steht sie endlich vor der Haustür, wirft einen letzten Blick auf den Fluss und spitzt die Ohren. Die Blätter der Bäume rauschen.
Ein Raunen liegt in der Luft.
Ein Wispern.
Es ist, als spräche ihr jemand Mut zu.
***
Mittlerweile sitzt Maringer mit einem Schulfreund, dessen Ehefrau und deren Freundin in einem kroatischen Restaurant. Sie essen Fisch, aber das ist eigentlich Nebensache.
Hätte Joe geahnt, dass ihn die beiden schon wieder verkuppeln wollen, wäre er zu Hause geblieben. Nicht, dass die Brünette neben ihm nicht attraktiv wäre. Es ist mehr ihr Verhalten, das Joe stört. Dieses Anstarren. Das Abwägen. Als ob sie vor einem Gaul stünde, den es zu kaufen gilt. Und sie redet so viel. Verdrossen klappt Maringer die Ohren zu und überlegt, wie er aus dieser Scheiße wieder rauskommt, ohne dabei jemanden beleidigen zu müssen.
Die Damen eilen aufs Klo. Schon wieder. So jung und schon so undicht? Aber bitte. Nur zu. Das ist seine Chance. Sekunden, nachdem die beiden von der Bildfläche verschwunden sind, winkt der Chefinspektor den Kellner herbei.
„Zahlen bitte.“
„Alles?“
Ein knappes Nicken. Joes Schulfreund rebelliert.
„Keine Widerrede. Ihr seid eingeladen“, versichert der Rauschgiftfahnder. „Sei mir nicht böse, aber ich habe noch zu tun. Dienstlich. Und schönen Tag noch.“
Weg ist er.
Draußen atmet er auf. Die meinen es ja gut mit ihm, das weiß er, aber es nervt. Also ab nach Hause.
Zum Glück herrscht fast kein Verkehr. Dennoch fährt Joe, als sei die wilde Jagd hinter ihm her. Ruhe. Jetzt will er nur noch seinen Frieden haben.
Eine halbe Stunde später steht er in seiner Küche, macht sich einen Cocktail und füttert die Fische im Wohnzimmeraquarium. Danach versorgt er sich mit einem guten Glas Wein und geht damit in den Keller.
In zwei wandbreiten und fast raumhohen Aquarien erwartet ihn eine Tierwelt voll stummer Grazie und leuchtender Schönheit.
Ein Schauspiel, an dem er sich nicht sattsehen kann.
***
Dienstag, kurz vor sechs.
Ein angenehmes Kitzeln auf der Haut.
Schmerzen?
Natürlich hat sie die.
Kinn und Kiefer reagieren auf jede noch so sanfte Berührung. Ihr Nacken ist verkrampft. Sanftes Dehnen ist angesagt. Mit entsprechender Vorsicht. Das dauert seine Zeit.
Immer, wenn Ulla bei ihren Übungen den Kopf dreht, sticht ihr die Sonne durchs Fenster mitten ins Gesicht, aber so sehr ihr sonst auch Licht und Wärme gut tun, so wirkungslos verpufft das nach dieser Horrornacht.
Wahnsinn. Schon um Mitternacht
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