Rosenwahn
eingetragen werden. Da steht im Mai vor drei Jahren ein Termin für – warte«, Friede las vor, »Meral Durgut.«
»Verrückt!«, stieß Derya aus. »Und kannst du dich noch an das Mädchen erinnern?«
»Leider nein. Da für sie sonst hier keine Unterlagen existieren, denke ich, ist sie nur einmal kurz hier gewesen, hat sich einen Termin geben lassen und den dann gar nicht wahrgenommen.«
»Meinst du denn, die Familien der Mädchen könnten was mit ihrem Tod zu tun haben?«
»Ich weiß es nicht – vielleicht. Wenn das zweite Mädchen dieselben Probleme hatte wie Fatma Aksoy, denkt man an so was natürlich zuerst. Aber ich habe dich angerufen, weil ich dachte, du solltest es Georg erzählen. Vielleicht ist es ja für die Polizei eine interessante Information.«
»Das stimmt«, sagte Derya. »Das mach ich. Und ich geh auch gleich rüber und schau, ob er schon nach Hause gekommen ist.«
»Na gut, mehr wollte ich gar nicht. Sollte die Polizei mit uns auch noch reden wollen, gib denen die Nummer vom Zentrum. Ich muss Schluss machen, hier warten sie auf mich. Mach’s gut, Derya.«
Gleich darauf stand Derya vor ihrem Kleiderschrank. Sie konnte ja nicht in dem ollen verwaschenen T-Shirt und der ausgebeulten Jogginghose, die sie beim Kochen trug, bei Georg auftauchen. Nach dem gestrigen Abend jedenfalls nicht mehr. Endlich hatte sie sich für eine helle Hose und eine dunkelbraune Bluse entschieden, malte etwas Kajal um die Augen, zog sich die Lippen nach und versuchte, ihre karottenroten Haare in Form zu bringen. Bei deren Anblick fiel ihr ein, dass sie dringend eine neue Haarfarbe brauchte. Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu und fand, ihr Lächeln sah absolut natürlich aus. Die Schauspielerin in ihr war eben nicht zu leugnen.
Als sie vor Georgs Tür stand und auf mehrmaliges Klingeln keiner öffnete, erinnerte sie sich, dass eines der Kinder gestern Abend gesagt hatte, sie wollten Pizza essen gehen. Mist! Das hatte sie ganz vergessen. Schnell rannte sie zurück zu ihrer Wohnung. Es regnete immer noch. Wer weiß, wann und ob er überhaupt heute hierher kommt! Sie entschied sich spontan, es in seiner Dienststelle zu versuchen. Vielleicht war er ja noch dort, dann bekam ihre Begegnung gleich so etwas wie einen offiziellen Anstrich. Und wenn er nicht da war, würde sie eben mit irgendeinem anderen von der Polizei sprechen. Immerhin konnte sie ja Informationen zu den beiden toten Mädchen liefern. Sie packte den Hefeteig für die Lahmacun in Folie und legte ihn in den Kühlschrank, um das Aufgehen zu stoppen. Dann stellte sie noch schnell den Nudelauflauf, den sie zum Abendessen vorbereitet hatte, in den kalten Backofen und legte Koray einen Zettel auf den Küchentisch, dass er ihn allein backen sollte, im Falle, es würde später bei ihr. Anschließend machte sie sich auf den Weg zur Bezirkskriminalinspektion.
Gerade wollte Angermüller vom Schreibtisch aufstehen, da erreichte ihn ein Telefonat aus München. Es war Emine Erden, Merals Tante, die sich etwas beklommen anhörte.
»Eine Lübecker Freundin hat mich heute angerufen und mir das mit dem zweiten Mädchen erzählt. Gibt es denn irgendeinen Zusammenhang mit dem, was mit meiner Nichte geschehen ist?«
Angermüller überlegte kurz. Dann antwortete er wahrheitsgemäß: »Vermutlich, ja. Aber leider kann ich Ihnen dazu noch gar nichts weiter sagen.«
»Ich verstehe«, sagte Frau Erden etwas enttäuscht. »Man macht sich halt so seine Gedanken. Als ich das heute hörte, dachte ich jedenfalls, jetzt melde ich mich noch einmal, weil mir neulich etwas eingefallen ist. Sie hatten mich doch nach meinem letzten Telefonat mit Meral gefragt, wissen Sie noch?«
»Ja, natürlich, Frau Erden«, bestätigte Angermüller. »Und Sie hatten den Eindruck, es ginge dem Mädchen viel besser.«
»Genau. Ich habe nämlich die ganze Zeit versucht, mich genauer zu erinnern, aber das ist jetzt natürlich drei Jahre her und nicht ganz so einfach. Ich weiß auch nicht, ob Ihnen das jetzt wirklich weiterhilft, aber mir war die ganze Zeit so, als ob Meral noch etwas gesagt hätte, das mich damals überraschte. Und eines Nachts bin ich plötzlich wach geworden und auf einmal wusste ich es wieder. Sie hat gesagt: Mach dir keine Sorgen, Tante, es geht mir viel besser. Ich bin nicht mehr allein.«
»Aha«, meinte der Kriminalhauptkommissar. »Und wen oder was hat Ihre Nichte damit gemeint, denken Sie?«
»Na ja, als Erstes habe ich natürlich an ihren deutschen Freund gedacht und
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