Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
Also dann mal los, Herr Kerricht. Bis morgen!«
Damit trabte Kerricht zurück ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu.
»Respekt, Chef«, sagte Haffmeyer und konnte sein faltiges Gesicht endlich ganz entspannt in ein breites Grinsen legen. »Der Freddy wird heute Nacht noch lange darüber grübeln, ob Sie von seinem Anruf bei Koller wussten oder nicht.«
»Schon recht, aber jetzt schauen Sie beide bitte mal etwas ernster drein – Kerricht soll nicht etwa durchs Fenster sehen, dass wir uns über ihn lustig machen.«
Tatsächlich war in Kerrichts Haus kurz darauf eine Silhouette zu sehen, halb verdeckt von den Gardinen: Der Kollege stand mit dem Telefon am Ohr im Zimmer, redete aufgeregt und behielt Hansen und seine Begleiter im Blick, bis sie ins Auto gestiegen und in Richtung Pferdehof davongefahren waren.
Das anschließende Telefonat mit Kripochef Huthmacher dauerte nicht lange. Hansen brachte ihn auf den aktuellen Stand und bat ihn, die Kollegen in Rosenheim zu informieren und ein Treffen für heute anzuberaumen, um eine gemeinsame Ermittlungsgruppe zu bilden.
»Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, Herr Huthmacher«, meinte Hansen, »aber ich persönlich hätte kein Problem damit, wenn die Rosenheimer die Soko leiten wollen. Nicht, dass da noch unnötig Druck reinkommt – schließlich sieht alles danach aus, als sei Ruff auf deren Seite des Lech von der Brücke gestürzt.«
Der Wagen rollte gerade auf das Wohnhaus der Ruffs zu, als der Arbeiter vom Vortag mit einer Schubkarre über den Weg zwischen Scheune und Stall trottete. Haffmeyer machte seinen Vorgesetzten auf den Mann aufmerksam, schlüpfte aus dem Wagen und folgte ihm.
Hansen und Fischer klingelten an der Tür, und wenig später stand Marlene Ruff vor ihnen. Sie wirkte ernstlich besorgt, mit ängstlichem Blick und verheulten Augen.
»Können wir reinkommen?«, fragte Hansen.
Frau Ruff nickte nur stumm und ging ihnen in die geräumige Essküche voraus, wo sie ihnen Platz auf der gepolsterten Eckbank anbot.
»Kaffee?«
Hansen und Fischer nickten und sahen ihr zu, wie sie sich an der Kaffeemaschine zu schaffen machte. Doch als der Kaffee auf dem Tisch stand, konnten sie das Gespräch nicht länger hinauszögern.
»Ist Ihr Mann inzwischen wieder da?«, fragte Hansen.
Marlene Ruff schüttelte den Kopf.
»Sein Wagen stand gestern hinter dem Pferdestall – wussten Sie das nicht?«
»Nicht, als Sie mich fragten«, antwortete sie mit matter Stimme. »Aber gleich danach ist Klemens ins Haus gekommen und hat erzählt, dass sich ein dünner Mann und eine dicke Frau auf unserem Hof herumtreiben und sich den Geländewagen hinter dem Stall angesehen hätten.« Sie warf Hanna Fischer einen kurzen Blick zu. »Tut mir leid, aber so hat’s mir Klemens halt berichtet.«
»Da hat er ja auch recht, der Klemens«, sagte Fischer und schüttete noch etwas mehr Zucker in ihren Kaffee.
»Klemens ist Ihr Arbeiter?«, fragte Hansen. »Oder heißt das hier bei Ihnen Knecht?«
»Knecht nennt man das eigentlich nicht mehr. Er ist unser wichtigster Mitarbeiter und gehört fast schon zur Familie. Der arbeitet seit bald zehn Jahren für uns, ein richtig netter Kerl, und Ahnung von der Pferdehaltung hat er auch – ohne ihn wüssten mein Mann und ich manchmal gar nicht, wie wir …«
Sie unterbrach sich, zog ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich.
»Was ist mit meinem Mann?«, fragte sie dann. »Können Sie mir etwas sagen? Bisher haben Sie ja immer nur gefragt, aber Sie wissen doch etwas?«
»Ja, Frau Ruff, wir wissen etwas. Nicht viel, aber Ihrem Mann ist möglicherweise etwas zugestoßen.«
»Thomas ist … was?«
»Wir haben Blut von ihm am Lechufer gefunden, dort lag auch ein Knopf mit dem Motiv Ihres Pferdehofs: der steigende Hengst, der auch auf Ihrem Schild an der Einfahrt zu sehen ist.«
»Und wo ist Thomas jetzt?«
»Das wissen wir leider nicht. Aber wir müssen davon ausgehen, dass er von der Lechbrücke gestürzt ist. Dass er hinuntergestoßen wurde.«
»Von der Brücke? Aber warum …?«
Sie stutzte.
»Sagten Sie gerade: Er wurde gestoßen?«
»Ja.«
»Und wer … wer hat das gemacht?«
»Das versuchen wir herauszufinden.«
Sie nickte, nahm einen Schluck Kaffee, stellte die Tasse wieder zurück und setzte sie dabei aber so hart auf die Untertasse, dass sie selbst über das laute Klirren erschrak.
»O Gott …«, stammelte sie immer wieder. »O Gott …«
Haffmeyer erreichte den Arbeiter erst, als er im Pferdestall den
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