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Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
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könnte sie anrufen, der war auch ein guter
Mann auf seine Art, er hatte kurz einmal in Albion gearbeitet – und dann hatte
sie nicht gewollt, dass er vorbeikam, er war nett, wie Virgil, aber sie war
wegen Billy besorgt, diese Männer, gut auf ihre Art, hatten sie schon ihr
ganzes Leben lang umgeben. Roy war dann erwischt worden, wie er zur Erntezeit
mit einer Ladung Marihuanapflanzen aus dem Wald zurückkam – und behauptete, es
wär bloß ein Gefallen. Eine Weile wurden seine Telefone abgehört. Jetzt lebte
er nicht weit von Houston, sagte, dass er auf dem Pfad der Tugend wandle, Fernfahrer
bei einer Spedition sei und mit einer älteren Frau lebe, die dafür sorge, dass
er einen klaren Kopf behielt. Roy hatte Virgil niemals leiden können, Virgil
Roy genauso wenig, ist ganz einfach, einer war so wie der andere. Und jeder
fand, der andere wär nicht gut genug für Grace. Aber sie waren gleich, sie
zeigten nur ihre Fassade, und darunter war was völlig anderes. Bei Virgil ging
das ganze Geld für Alkohol und Mädchen drauf und – Bingo!, fällt ihm wieder
ein, dass seine Frau den Trailer hat, wo er sich einquartieren kann, und für
ihn sorgen könnte sie gleich mit. Na, wenigstens hatte sie ihm die Stirn
geboten, endlich. Darauf konnte sie mal stolz sein.
    Grace wollte nicht drinnen sein. Sie zog den Mantel an und ging
hinaus und stellte sich in ihren Hintergarten, schaute auf die wogenden Hügel,
die große Scheune in der Ferne, es war alles grün und kühl und trocken, nicht
so wie im Sommer, wenn’s erstickend schwül war, sondern frisch. Wenn Buddy
Harris einen Sohn hätte, dann wäre der jetzt nicht im Knast. Der wär der
Richtige gewesen. Hat sich mehr für Billy eingesetzt als Virgil jemals. War dir
gar nichts schuldig, aber hat dir doch geholfen. Hatte sie ihn deshalb immer
als gegeben hingenommen? Virgil war ja ständig scharf auf seinen nächsten Fick,
und Frauen waren scharf auf ihn, so warst du immer eingeschüchtert, und dieAngst, ihn zu verlieren, hielt dich fünfzehn Jahre lang im Griff. Erstaunlich,
dass dich ein Gedanke derart lähmen konnte, derart lang.
    Und jetzt sitzt Billy hinter Gittern, während Virgil, na, wo der war,
wusste keiner. Aber Harris’ Sohn wär nicht im Knast. So oder so. Es hieß, dass
Harris Leute umgebracht hätte, doch das hatte sie stets bezweifelt, war sich
eigentlich ganz sicher, dass das falsch war. Junkies, hieß es. Nur so ein
Gerücht, das Harris hatte stehen lassen, da es ihm auch diente, seine Arbeit
leichter machte, aber wenn man ihn betrachtete, dann wusste man, es stimmte
nicht, das konnte gar nicht sein. Und was, wenn doch? Sie fragte sich, warum
sie über diese Dinge nachdachte. Sie fragte sich, ob Harris wirklich jemanden
getötet hatte.
    Sie war aufgewühlt und ging ins Haus zurück, setzte sich vor den
Fernseher. Sie zappte sich durch die Programme, nichts, was sich zu sehen
lohnte, was sie brauchte, waren mehr Programme, nicht vergessen. Doch es half
nichts – die Gedanken kreisten immer weiter um das Thema. Erst kam es ihr
möglich vor, dann war sie sicher. Irgendetwas in Bud Harris konnte einen
Menschen töten, wenn er das für richtig hielt. Er war ja in Vietnam gewesen.
    Du musst aus dem Haus raus, dachte sie. Bud hatte ihr gesagt, er
würde heut nicht kommen, lieber alles langsam angehen. Optimistisch musste sie
sein. Harris meinte, dass es jetzt erst losging. Keiner konnte wissen, was
passieren würde. Und ein Teil von ihr war optimistisch.
Glaubte, dass es wirklich alles gut ausgehen würde. Es war Freitag Abend, eine
Woche her, dass Billy halb erfroren und verletzt nach Haus gekommen war. Sie
würde jetzt ins Rego’s gehen, Abend essen. Sie rief
Ray und Rosalyn, die Parkers, an, wo keiner dran ging, und dann Danny Welsh,
der auch nicht dran ging. Beide Male hinterließ sie eine Nachricht – gehe jetzt
ins Rego’s . Sie war unsicher, ob sie sich in der
Öffentlichkeit zeigen sollte. Aber was gab’s sonst zu tun.
    Im Rego’s war viel los, und sie erspähte
einen freien Hockeram Ende des Tresens, den sie ansteuerte. Als sie
eingetreten war, hatten die Leute kurz gestutzt, extrem kurz, aber sie bemerkte
es.
    Die Barkeeperin, Bessie Sheetz, kam zu ihr.
    »Bier und Whiskey, schätze ich.«
    »Ach, Whiskey reicht schon.«
    Bessie goss ihn ein.
    »Wie läuft’s die Tage?«
    »Geht schon.«
    »Du bist unter Freunden, weißt du ja.« Die Frau schob ihr den Drink
hin, beugte sich über den Tresen. »Du erinnerst dich wahrscheinlich nicht, aber
ich

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