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Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
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sagte kein Wort.
    »Hast du schon was, womit du ihn bearbeitest?«
    »Ja, aber ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, was die ganze Sache
angeht.«
    Tucker guckte jetzt verwirrt.
    »Ich warte ja noch auf meinen Prozess.«
    »Wissen die das? Weil die sind überzeugt, du bist dabei, definitiv.«
    Poe zuckte mit den Achseln.
    Tucker sagte: »Weiß schon, dass du grad erst da bist und so, aber
die sind nicht die Typen, die du eben mal verarschen kannst. Du musst dich voll
auf diese Scheiße konzentrieren. Ich mach mit, steh Schmiere, wenn du willst,
aber das Zuschlagen übernimmst du.«
    »Ich will hier wieder rauskommen.«
    »Tja, wirst du aber nicht, verdammt«, sagte sein Zellenkumpel. »Wenn
sie diese Unterhaltung hören könnten, würden sie dich gleich in Stücke
schneiden. Dwayne und Larry haben ungefähr ein halbes Dutzend Lebenslänglich,
nur die beiden.«
    »Clovis macht mir mehr Sorgen.«
    »Ach, scheiß auf Clovis. Der ist bloß ein Muskelprotz.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Poe.
    »Ich sag dir, nimm dein Wort jetzt nicht zurück. Ich werde gleich
vergessen, was du mir gesagt hast. Weil so wie die sind, krieg ich das andere
Ende von dem Messer rein, das sie dir in den Hals rammen.«
    »Egal.«
    »Wenn du’s nicht machst«, sagte sein Zellenkumpel, »kannst du dich
genauso gut gleich aufhängen. Das ist kein guter Ort für einen jungen weißen
Typen ohne Freunde.«
    Poe fixierte stumm die Decke, Tucker holte seine Plastikbox hervor
und räumte seine Sachen um.
    »Hast du hier irgendwas von angefasst?«
    »Ich hab’s nicht mal gesehen. Müssen die erst heute reingestellt
haben.«
    »Ich krieg das raus, wenn du’s gemacht hast.«
    »Mach dir keinen Kopf.«
    In dieser Nacht, als alle Lichter aus waren, gab es ein Klopfen an
den Gitterstäben, und Poe wachte auf. Er sah hinaus und sah, dass eine Wärterin
da stand. Sie schaute links und rechts den Zellenblock entlang, dann knöpfte
sie die Hose vorne auf, so dass ihr Schamhaar zu erkennen war. Poe hörte es in
Tuckers Koje rascheln.Dieser Scheißperverse holt sich einen runter, dachte
Poe. Auf diese fette Wärterinnenkuh. Er musterte sie eine Zeitlang, eher aus
Neugier, legte sich dann wieder hin, bis es vorbei war.
    Eine Weile später hörte er: »Du guckst sie dir nicht noch mal an.
Ich war ein halbes Jahr allein im Bunker, und für diese Nummer hier hab ich
bezahlt.«
    »Ich hab nicht hingeguckt.«
    »Ich hab gehört, wie du geguckt hast. Und ich weiß, dass du geguckt
hast.«
    »Bin nicht interessiert an deiner Freundin«, sagte er. »Ich wusste
gar nicht, was da abging.«
    Tucker grunzte und sagte nichts weiter. Poe versuchte, wieder einzuschlafen,
doch er dachte an die Wärterin. Vielleicht war das auch eine Falle. Auf die
eine Wache wichsen sie und wollen, dass ich eine andere plattmache. Er konnte
keinen Sinn darin erkennen. Und er überlegte, ob die alle für den Staatsanwalt
arbeiteten, versuchten, ihn noch tiefer reinzureißen. Allerdings dürfte der
Staatsanwalt kaum eine Ahnung davon haben, was hier ablief, keiner eigentlich,
das würden sie nicht zulassen, es war wie unter Gladiatoren, jeden Tag. Das
Alte Rom. Bloß dass sie ihn vielleicht absichtlich hergeschickt hatten. Sie
handelten auf eine ganz bestimmte Weise, wollten die Beachtung des Gesetzes,
aber dann war’s ihnen gleich, ob du unter der Dusche vergewaltigt wurdest oder
dir mit einem Vorhängeschloss nebenbei der Schädel eingeschlagen wurde. So
etwas wie das Gesetz, das gab es eigentlich nicht. Es gab nur das, was andere
Menschen von dir wollten.
    Er lag eine Weile still, er zitterte, ob nun aus Angst oder aus Wut,
das wusste er nicht. Wenn ich diesen Wärter jetzt nicht schlage, dachte er, hab
ich sie alle gegen mich, die Weißen und die Schwarzen, und den Wärtern ist es
scheißegal. Wenn ich den Wärter schlage, habe ich die Wärter und die Schwarzen
gegen mich. Bloß dass bestimmte Wärter außerdem noch Nebendeals gemacht hatten.
Ein unsichtbares Netzwerk. Überall schlossen sie Deals ab, nur mit ihm nicht.
    Immer mehr verbohrte er sich in diese Gedanken, bis er irgendwo
reinschlagen wollte, und er klatschte seine Handfläche gegen die Wand, so dass
das Doppelstockbett schaukelte, die Wand bewegte sich kein Stück, sie würde
sich auch nie bewegen, und sein Zellenkumpel hieb von unten gegen die Matratze.
Den würde er ignorieren. Nur dass er eben geboxt worden war. Hatte aber keiner
mitgekriegt, er würd’s ihm durchgehen lassen.
    Wäre jetzt bloß Isaac da, den würde er grün

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