Rost
hinblättern. Guck?« Und sie grinste. »Früher hatte ich so vorstehende
Zähne, hättest mich mal sehen sollen.«
»Kaum zu glauben.«
»Traurig, aber wahr. Du …«
Grace schaute sie an.
»Ich hab das ernst gemeint mit deinem Sohn. Ich fand schon immer,
Grace, du hast was, und ich war so traurig, als ich neulich diese Zeitung las.«
»Es ist noch nicht vorbei. Fängt eigentlich erst an.«
»Wahrscheinlich auch das Allerletzte, woran du jetzt denken willst.«
»Ist schon in Ordnung.«
»Ich entschuldige mich immer«, sagte Heather. »Dafür hab ich ein
besonderes Talent.«
»Hier, Manicotti«, sagte Ray. »Und Teller für uns alle.«
»Das ging schnell. Wie hast du das denn hingekriegt?«
»Hab aus dem Auto angerufen.«
»Ich kann gar nicht hinsehen«, sagte Heather. »Müsste mal auf die
Toilette.«
Rosalyn, nachdem sie sicher war, dass Heather außer Hörweite war,
beugte sich zu Grace. »Du müsstest mal ihr Haus sehen, Wahnsinn. Jedes, aber
wirklich jedes Möbelstück ist schwarz. Sie haben einen großen Fitnessraum und
alles voller Bilder.«
Ray sagte: »Du meinst, so Bilder, wie sie jeder Idiot pinseln könnte?«
Grace verdrehte die Augen.
»Ich mache keine Witze«, sagte Ray. »Die sehen aus, als hättsie
einer mit geschlossenen Augen hingepinselt. Und dann hörst du, was die Leute
dafür abgedrückt haben.«
»Als wüsstest du so was.« Sie wandte sich zu Grace um. »Sie hat mir
erzählt, 200000 Dollar hätten sie für ihre Bilder
ausgegeben. Und allein im letzten Jahr wär alles um das Doppelte im Wert
gestiegen.«
Ray schnaubte vernehmlich.
Heather kam zurück und schniefte. Setzte sich nicht hin. »Es tut mir
leid, Leute, ich muss jetzt wirklich los.«
»War schön, dich wiederzusehen«, sagte Grace.
»Ja, geht mir auch so, Schätzchen.« Heather drückte Graces Schulter
und zog ab, auf den Acht-Zentimeter-Absätzen leicht taumelnd, und die Männer an
der Bar beglotzten ihre enge Hose, als sie ging, die Tür hinter sich
zuknallend.
»Das Geld ruft«, meinte einer an der Bar, nachdem die Tür ins
Schloss gefallen war. Ein paar der anderen kicherten.
Ray tippte sich kurz an die Nase. » 30000 jährlich gehen hier hoch, hab ich gehört.«
Grace war verblüfft von dieser kleinen Grausamkeit. Sie war ja
selbst nicht besser.
»Jedenfalls …«, hob Rosalyn an.
Wieder schwang die Tür auf, Heather kam zurück, steuerte Graces
Tisch an und beugte sich zu ihr runter. »Du sagst mir Bescheid, falls du was
brauchst, ja, Schätzchen.« Und sie drückte Grace ein Stück Papier in die Hand.
»Nur für alle Fälle, ruf mich an, egal was ist.« Sie merkte, dass alle sie
anstarrten, und ging schnell wieder raus, bevor Grace Zeit hatte zu antworten.
»Was war denn da los?«, fragte Rosalyn.
»Alle lieben Grace, vor allem Frauen, die –«
»Hör auf jetzt«, sagte Rosalyn und boxte ihren Mann auf die Schulter.
»Was ist denn heute los mit dir, verdammt noch mal?«
»Ich muss jetzt was von diesen Manicotti inhalieren.« Und er häufte
eine Großportion auf seinen Teller. »Bin bloß hungrig, das ist alles, liegt an
meinem Blutzucker.«
»Es tut mir leid, dass wir nicht dawaren. Wie läuft es denn,
Grace?«, fragte Rosalyn.
»Ich komm schon durch«, erklärte Grace. »Nur optimistisch bleiben.«
»Also glaubst du wirklich, das kommt noch in Ordnung«, sagte Ray.
»Ja, glaub ich«, sagte Grace. »Irgendwie.«
3 . Poe
Er lag auf seinem Bett und dachte drüber nach, was er dem
Wärter antun sollte, dachte drüber nach, dass bald sein Anwalt kommen würde und
was er ihm sagen sollte, und da ging scheppernd die Zellentür auf, und ein
junger Insasse erschien, von einem Schließer reingeführt. Der Häftling war
ungefähr zwanzig, sandblond, Typus Bauernbursche, Landei, und obwohl er grad
ein halbes Jahr im Bunker zugebracht hatte, war seine Nase immer noch voll
Sommersprossen. Er war deutlich kleiner als Poe, dünn und auf fast mädchenhafte
Weise gutaussehend, aber seine Arme waren voller Tätowierungen, wie bei den
anderen, ein grünes Kleeblatt prangte auf dem einen Arm, die Buchstaben AB , für Arische Bruderschaft, auf dem anderen und
Spinnweben an beiden Ellbogen. Der Schließer schob die Zellentür zu und ging
wieder weg.
Poe setzte sich in seiner Koje auf.
»Ich heiße Tucker«, sagte der Insasse. »Ich hab schon von dir gehört.«
Poe stellte sich vor, und sie tippten die geballten Fäuste
aneinander.
»Wie man hört, kümmerst du dich um diesen Scheißkerl Fisher morgen.«
Poe
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