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Rot und Schwarz

Titel: Rot und Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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zitternden Mann zu ihren Füßen gesehen.
    »Es kommt Klarheit in die Sache«, sagte sie sich. »Als Freundin der Marschallin wird mir hier nichts unmöglich sein.«
    Das leise Gefühl der Eifersucht, das sie immer noch hegte, nicht achtend, erklärte sie dem Prälaten, Julian sei ein vertrauter Freund der Marschallin. Er sei in ihrem Hause beinahe täglich mit dem Bischof von *** zusammengekommen.
    »Von den sechsunddreißig Geschworenen, die durch das Los aus den angesehensten Leuten des Regierungsbezirks bestimmt werden«, sagte der Großvikar mit dem gierigen Blick der Ehrsucht und in bedeutungsvollem Tone, »sind acht bis zehn der Intelligentesten unter allen Umständen meine Freunde. Dadurch bin ich der Majorität so gut wie sicher, zumal in hochnotpeinlicher Angelegenheit. Und so kann ich mit der größten Leichtigkeit einen Freispruch erzielen ...«
    Der Prälat hielt plötzlich inne, als erschrecke ihn der Klang seiner eigenen Worte. Er hatte eben frank und frei von Dingen gesprochen, über die ein Geistlicher niemals mit einem Laien redet.
    Nicht minder bestürzt war Mathilde, als ihr der Großvikar erzählte, aus welchem Grunde ganz Besançon Julians seltsames Abenteuer mit besonderer Neugier und Teilnahme verfolgte. Man wisse von der großen Leidenschaft, die er dereinst in Frau von Rênal erregt und eine Zeitlang geteilt habe.
    Frilair entging es nicht, welche Bestürzung seine Bemerkung hervorrief.
    »Jetzt revanchiere ich mich!« dachte er. »Endlich habe ich das Rezept, dieses entschlossene Geschöpf doch nach meinem Willen zu leiten. Schon hatte ich Angst, sie nicht in mein Garn zu bekommen.« Ihr vornehmes, schwer zugängliches Wesen erhöhte in seinen Augen die Reize der schönen Bittgängerin. Er gewann seine volle Kaltblütigkeit wieder und zögerte nicht, ihr nun den Dolch tief ins Herz zu bohren. In leichtem Plaudertone sagte er zu ihr: »Ich würde ganz und gar nicht erstaunt sein, wenn wir im Laufe des Prozesses zu hören bekämen, daß Herr Sorel aus purer Eifersucht auf die ehedem so heißverehrte Frau geschossen hat. Sie scheint nicht ohne Reize zu sein, und seit unlanger Zeit kommt sie viel mit einem gewissen Abbé Marquinot aus Dijon zusammen, einem Jansenisten, einem sittenlosen Menschen, wie diese Sorte immer ist...«
    Mit behaglicher Wollust folterte Frilair das Herz des hübschen jungen Weibes, dessen schwache Seite er entdeckt hatte. Indem er seine heißen Blicke auf Mathilde ruhen ließ, stellte er die Frage auf: »Wozu hat Herr Sorel gerade die Kirche gewählt, in der sein Rivale zur selben Stunde die Messe las? Niemand zweifelt an den hohen geistigen Fähigkeit und besonders an der großen Überlegsamkeit des Glücklichen, den Sie protegieren. Wäre es nicht praktischer gewesen, wenn er sich in dem ihm so wohlbekannten Rênalschen Garten versteckt hätte? Dort hätte er so gut wie sicher sein können, weder gesehen noch gefaßt zu werden, ja nicht einmal in Verdacht zu kommen, wenn er die Frau aus Eifersucht morden wollte.«
    Diese scheinbar richtige Schlußfolgerung brachte Mathilde außer sich. Der Großvikar war seiner Herrschaft über sie sicher. Er ließ durchblicken, daß er den Staatsanwalt, der die Anklage wider Julian vertrat, völlig in seiner Hand habe. Es war eine Lüge.

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Neununddreißigstes Kapitel
Umtriebe
Castres, 1676. - Jüngsthin hat im Nachbarhaus ein Bruder siene Schwester ermordet. Dieser Edelmann hatte schon einen Mord auf dem Gewissen. Sein Vater ließ heimlich fünfhundert Taler unter die Richter verteilen und rettete so sein Leben.
    Locke, Reise in Frankreich
    A ls Mathilde den Bischofspalast verlassen hatte, schickte sie unverzüglich einen Kurier an die Marschallin von Fervaques. Die Furcht, sich bloßzustellen, ließ sie auch nicht einen Augenblick zögern. Sie beschwor ihre Rivalin, einen eigenhändigen Brief des Bischofs von *** an den Großvikar von Frilair zu erwirken. Ja, sie ging so weit, sie zu bitten, persönlich nach Besançon zu kommen. Für die eifersüchtige und stolze Mathilde war das eine Heldentat.
    Einem Rat Fouqués zufolge gebrauchte sie die Vorsicht, Julian alles das zu verheimlichen. Ihre Anwesenheit beunruhigte den Gefangenen sowieso schon. Angesichts des nahen Todes war er ein edlerer Mensch als je in seinem Leben. Er empfand nicht nur tiefe Reue des Marquis von La Mole wegen, sondern auch Mathilden gegenüber.
    »Ach!« klagte er bei sich. »Wenn Mathilde bei mir weilt, bin ich oft zerstreut, mitunter sogar mißlaunig. Sie

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