Rot wie die Liebe
gesorgt, dass er dein erstes Opfer wurde.«
Sie lächelte bei der Erinnerung daran. »Er bepisste sich, als Jarl ihn mir hinhielt, und er schniefte wie ein Kind, als er um sein Leben winselte. Ich war zwar neu, hatte aber doch so viel Kontrolle, dass ich ihn noch stundenlang am Leben halten konnte – lange, nachdem er um seinen Tod gefleht hatte. Bei dir werde ich es besser machen. Dir schenke ich Jahre voller Schmerz.« Sie griff nach ihm und fluchte, als ihre Hand durch ihn hindurchglitt.
»Unterhaltsam, was? Und Jarl? Wie lange hast du ihn noch ertragen?«
Schmollend verzog sie die Lippen. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Fast dreihundert Jahre. Es gab viel von ihm zu lernen. Er begann mich zu fürchten, weil meine Macht immer größer wurde. Ich konnte seine Angst riechen, und wenn ich ihn nicht vernichtet hätte, dann hätte er mich vernichtet.«
»Du wurdest Lilia genannt – Lilie.«
»Ja, als jämmerliches Menschenkind. Als ich erwachte, nannte er mich Lilith.« Sie drehte eine Haarlocke um den Finger und musterte Cian. »Hegst du etwa die alberne Hoffnung, dass du weißt, wie du meine Existenz beenden kannst, wenn du meine Anfänge kennst?«
Sie warf die Bettdecke beiseite und trat nackt zu einem Silberkrug.
Als sie das Blut in einen Pokal einschenkte, zitterten ihre Hände wieder.
»Wir wollen offen reden«, schlug Cian vor. »Schließlich sind nur wir beide hier – was seltsam ist. Du schläfst heute nicht mit Lora oder dem Jungen oder jemand anderem deiner Wahl?«
»Selbst ich suche gelegentlich die Einsamkeit.«
»Na gut. Also, ehrlich gesagt, ist es nicht seltsam oder verwirrend, wieder Mensch zu sein, auch wenn es nur in Träumen ist? Sein eigenes Ende, den eigenen Anfang zu sehen, als wenn es gerade erst passiert wäre? Sich wieder menschlich zu fühlen?«
Sie schlüpfte in einen Morgenmantel. »Ich wäre gerne wieder ein Mensch.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Du? Jetzt überraschst du mich aber.«
»Um diesen Moment von Tod und Wiedergeburt noch einmal zu erleben. Dieses wundervolle Gefühl. Ich würde nur zu gerne wieder schwach und blind sein, nur um das Geschenk noch einmal zu bekommen.«
»Natürlich. Das war vorauszusehen.« Cian stand auf. »Wisse, wenn du und dein Zauberer noch einmal meine Träume steuern, dann gebe ich dir den Gefallen dreifach zurück. Du wirst keine Ruhe vor mir oder vor dir selbst haben.«
Er verblasste, ging aber noch nicht zurück. Er spürte zwar, wie Moiras Gedanken und Glennas Willen an ihm zogen, aber er blieb noch.
Er wollte sehen, was Lilith als Nächstes tat.
Sie hob den Pokal, in dem noch Blut war, und schleuderte ihn an die Wand. Sie zerschmetterte eine hölzerne Schmuckkiste und schlug Löcher in die Wand, bis ihre Fäuste bluteten. Dann schrie sie nach einer Wache.
»Bring diesen wertlosen Zauberer zu mir. Leg ihn in Ketten. Bring ihn … nein, warte. Warte.« Sie wandte sich ab und rang um Fassung. »Ich töte ihn, wenn er mir jetzt unter die Augen tritt, und dann nützt er mir nichts mehr. Bring mir etwas zu essen.«
Sie wirbelte wieder herum. »Einen jungen Mann. Zwanzig oder so. Blond, wenn wir einen haben. Geh!«
Als sie allein war, rieb sie sich die Schläfen. »Ich töte ihn noch einmal«, murmelte sie. »Danach wird es mir besser gehen. Ich nenne ihn Cirio und töte ihn noch einmal.«
Sie ergriff ihren kostbaren Spiegel, der auf dem Sekretär lag. Und als sie ihr Gesicht sah, wusste sie wieder, warum sie Midir am Leben lassen sollte. Er hatte ihr dieses Geschenk gemacht.
»Da bin ich«, sagte sie leise. »So schön, dass der Mond erblasst. Ja. Hier bin ich. Ich werde immer da sein. Alle Übrigen sind nur Geister. Und ich bin hier.«
Sie ergriff eine Bürste, und während sie sich die Haare bürstete, begann sie zu singen. Mit Tränen in den Augen.
»Trink das.« Glenna hielt Cian einen Becher an die Lippen. Er stieß ihn beiseite.
»Es geht mir gut. Ich will jetzt keinen Whiskey trinken, und ich werde auch nicht in Ohnmacht fallen.«
»Du bist ganz blass.«
Er verzog den Mund. »Das gehört bei den Untoten dazu. Na, das war ja vielleicht ein Ausflug.«
Da er abgelehnt hatte, trank Glenna selbst einen Schluck Whiskey und reichte dann Moira den Becher. »Sie hat uns nicht gespürt«, sagte sie zu ihr. »Ich würde ja gerne glauben, dass meine Abwehr stark genug war, aber ich glaube, sie war einfach zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um uns zu spüren.«
»Sie war so jung.« Moira setzte sich hin. »So jung und so
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