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Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Titel: Rot wie eine Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anilda Ibrahimi
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Deutschen zerstörten Völkern zu Hilfe eilen.
    Sie hat diese Gedanken noch nicht zu Ende geführt, als sie einen furchtbaren Aufprall hört. Es scheint der Weltuntergang zu sein. Sie eilt ans Fenster und sieht Flammen hinter dem Haus aufsteigen, die jene finstere Nachkriegsnacht erhellen. Alle rennen ins Freie, um zu sehen, was vor sich geht. Zwischen den hohen Bäumen, die Feuer gefangen haben, ist ein Flugzeug eingeklemmt, brennende Teile fallen zu Boden.
    Viele Ereignisse aus dieser Nacht hat Bedena verdrängt, bei einigen ist es ihr nicht gelungen. Dieses Flugzeug war mit Gold beladen, Holzkisten, die aus dem Himmel fielen und sich geräuschvoll öffneten, sobald sie die Erde berührten. Eine von echtem, glänzendem Gold erhellte Nacht. Irgendjemand, der mit dem Gold aus einem unbekannten Land auf der Flucht war, um hier, ausgerechnet hier zu sterben. Welch bitteres Schicksal: Das Gold hatte diese Menschen, die offenbar versucht hatten, dem Tod zu entkommen, nicht vor ihm bewahrt.
    Bedena kann das Stöhnen der Leute, die in jener Nacht, eingeklemmt zwischen den Ästen der Bäume, langsam verbrannten, nicht vergessen. Sie waren noch am Leben, als sie mit der Familie des Ehemanns kam, sie seufzten leise in einer fremden Sprache und baten um das Einzige, was in einer solchen Situation keiner Übersetzung bedarf. Aber die Hilfe, die sie sich erhofften, kam erst lange Zeit später, als ihre Körper bereits verkohlt waren.
    »Erst müssen wir das Gold einsammeln und es fortschaffen, das gesamte Dorf wird jeden Augenblick hier sein.« Die Worte des Schwiegervaters waren ein Befehl an alle.
    Bedena erinnert sich an den Geruch des verbrannten, noch lebenden Fleisches zwischen dem grünen Geäst. Keiner war ihnen zu Hilfe geeilt.
    Als die Leute aus dem Dorf kamen und verzweifelt versuchten, sie aus den Bäumen zu retten, konnten sie nur noch unkenntliche Leichen bergen. Unter ihnen auch zwei kleine Kinder mit einem merkwürdigen Lächeln auf dem Gesicht, dem stillen Lächeln antiker Statuen.
    Bedena hat nie erfahren, ob diese Kinder auf der Stelle tot waren, oder ob sie, wie die Erwachsenen, leise um Hilfe flehten, aber das, was sie wusste, genügte ihr, um sicher zu sein, dass ihr selbst kein gewöhnlicher Tod beschieden sein würde. Ihre Vorahnungen stellten sich jedoch als falsch heraus: Es war nicht der Tod, der sie beunruhigte, sondern die Zeit, die sie von ihm trennte.
    Atikas Geburt war wie eine Strafe. Diese Tochter sollte sie für den Rest ihres Lebens daran erinnern, dass es jemanden gibt, der die Bilanz deiner Handlungen zieht. Und oft gibt er dir das zurück, was du verdienst.
    Das Gold jener Nacht brachte ihrer Familie nicht viel ein. Außer dass sich alle schämten, jeder vor dem anderen.
    Dieses Gold war zum Teil noch an einem Ort vergraben, den nur wenige kannten. Nach der Befreiung kam es, im Zuge einer der zahllosen kommunistischen Reformen, zu dem Aufruf, alles Gold einzutauschen. Bedenas Schwiegervater hatte es zunächst probiert. Er begann mit kleineren Gegenständen, um zu sehen, wie viel sie ihm brachten. Er merkte gleich, dass es nur lächerliche Summen waren. Das Gold, hatte die Regierung erklärt, gehöre allen, man müsse es dazu verwenden, das Land wieder aufzubauen. In Albanien gebe es nur noch sehr wenig davon, weil König Zogu I. – und Letzte – kurz vor dem Einmarsch der Faschisten ein Flugzeug mit Gold gefüllt hatte und nach Südafrika geflohen war.
    Angesichts dieser Umstände hatte Bedenas Schwiegervater sein Gold und damit die Hoffnung auf Reichtum für immer begraben.
    Von der Geschichte erfuhr Saba durch Bedena selbst, in einem Augenblick der Verzweiflung, einige Tage nach dem Flugzeugabsturz. Während sie erzählte, kamen ihr immer und immer wieder die Tränen, und Saba ließ sie sich ausweinen. Am Ende erklärte sie ihr, dass sie das, was geschehen war, nicht wiedergutmachen konnte. Die durch den Geiz solcher Leute wie Bedenas Familie zerstörten Heiligtümer würden eines Tages in anderer Gestalt wieder in Erscheinung treten.
    Das war es, woran Bedena dachte, als Atika auf die Welt kam. Die erbarmungslos zerstörten Heiligtümer, die mit der Geburt ihrer Tochter, einer Tochter ohne Hirn, erneut zum Vorschein kamen. Aber warum musste Atika, die in jener fernen, von Feuer und Gold erfüllten Nacht noch nicht existierte, mit diesem unergründlichen Lächeln auf den Lippen zur Welt kommen und für alles bezahlen?
    »Du musst darüber nachdenken, wie es weitergehen soll. Du darfst

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