Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)
um Saddam zu helfen, machte im ganzen Viertel die Runde.
Mukades blieb ziemlich lange bei Großmutter Saba, dann ging sie in ihre Wohnung hinunter, um sich weiter ihrer Verzweiflung hinzugeben. So fanden sie am Abend ihr Sohn Mussa und die Schwiegertochter.
Mussa kam zu uns. Er war richtig wütend.
»Auch wenn du Lehrer bist – als Mensch taugst du gar nichts«, sagte er zu Papa. »Solche Späße gehen zu weit.« Dann ging er hinaus.
»Mit dem Krieg spaßen nur diejenigen, die seine Klauen nicht am eigenen Leib zu spüren bekommen«, sagte Großmutter Saba, als der Sohn der alten Mukades die Tür hinter sich zugezogen hatte.
Einundzwanzig
Ich träumte von einer Wohnung im Zentrum einer Hauptstadt, von einer Arbeit am Theater und von vielen eleganten Kleidern, die ich jeden Abend, wenn mein Mann mich zum Essen ausführte, tragen würde. So wie Tante Afrodita. Aber darüber hinaus wollte ich auch Kinder haben.
Während meines ersten Studienjahres ging ich Tante Afrodita oft besuchen. Sie gab mir Ratschläge, wie ich mich in der Hauptstadt verhalten sollte, ihr Wohnzimmer wurde zu einer Lehrstätte für Benimmunterricht. Sie las mir auch aus dem Kaffeesatz: Ich würde einen Ausländer heiraten, sagte sie immer.
»Ausländer« – allein schon das Wort gefiel mir, es klang so schön. Ich hatte die Vorstellung, dass Ausländer ihre Zeit damit verbrachten, ständig ins Theater oder Kino, in Ausstellungen oder Opernpremieren zu rennen. Ich war davon überzeugt, dass mein Leben an der Seite eines Ausländers ganz anders verlaufen würde als das meiner Mutter. Tante Afrodita machte nie nähere Angaben zur Nationalität meines Zukünftigen, so blieb er hinreichend unbestimmt und somit für alles offen.
Ich würde nach Italien reisen, um Carla Fracci tanzen zu sehen und Tullio de Pisco, den ich damals bewunderte, live zu hören. Mein Bräutigam würde mich natürlich nach Lateinamerika begleiten, um mich mit Gabriel García Márquez oder Isabel Allende bekannt zu machen, die beide zu meinen Lieblingsautoren gehörten. Und selbstverständlich würde ich auch auf ein Konzert meiner geliebten Dire Straits ehen.
Damals lernte ich meinen ersten Freund kennen. Ich war mir nicht sicher, ob er als Ausländer gelten konnte, und wusste daher nicht, ob er der Mann war, den Tante Afrodita im Kaffeesatz sah. Seine Eltern gehörten zu der griechischen Minderheit, die seit 1913 innerhalb der Landesgrenzen lebte. Ein seltsames Land, das sich mal öffnete, mal wieder schloss, ohne Rücksicht auf die Schicksale seiner Bewohner. Wer draußen blieb, verging vor Sehnsucht nach etwas, das unerreichbar war. Die Dringebliebenen konnten sich dagegen keine melancholischen Gefühle leisten. Sie vergingen in der sengenden Sonne auf den Feldern oder in der Hitze der Bergwerke, wo sie Zwangsarbeit leisten mussten, sie vergingen, und Schluss.
Romeos Eltern waren Griechen, also konnte auch er sich als Grieche bezeichnen. Aber er war in Albanien geboren und hatte unsere Staatsbürgerschaft, also war er streng genommen vielleicht doch kein »Ausländer«. Tante Afrodita konnte mir meine Zweifel nicht nehmen. Bürokratische Angelegenheiten oder ethnische Zugehörigkeiten blieben bei ihren Kaffeesätzen außen vor. Wahrscheinlich wollte sie keine Scherereien haben. Um herauszufinden wie die Dinge standen, beschloss ich daher, mich auf ihn einzulassen.
Ich hatte ihn zufällig kennengelernt. Eines Tages, als ich auf dem Weg zur Vorlesung über griechische und römische Literatur war, hatte er mich angehalten und um eine Auskunft gebeten. Dann sagte er mir, dass ich große Ähnlichkeit mit einer Schauspielerin aus einer Fernsehserie hätte, die er im italienischen Fernsehen verfolgte.
»Sie heißt Esther, du musst sie dir anschauen: Sie hat genauso langes lockiges Haar wie du, dasselbe Gesicht, wirklich beeindruckend …«
Ich kannte diese Serie nur zu gut, ich glaube, es gab damals kaum einen Albaner, der sich nicht vor den Fernseher klemmte, um Kommissar Cattani zu sehen. Der Erfolg dieses Krimis war enorm: Die kleinen Kinder nahmen ihre Spielzeugpistolen in die Hand und schrien: »Ich bin Kommissar Cattani!«, und die Frauen waren ganz verrückt nach Tano Cariddi. Man weiß ja, dass sich Frauen immer in die Bösewichter verlieben.
Nun behauptete dieser Junge, ich sähe genauso aus wie Esther, die Frau des bösen Tano. Ob ein Land so zu ist wie ein Laden am Feiertag oder so offen wie frische Austern auf dem Vorspeisenteller, die Methoden,
Weitere Kostenlose Bücher