Rot
Gäste nicht, Platz zu nehmen.
Kati Soisalo trat näher an die Frau heran und sah jetzt den blauen Fleck auf ihrem Arm, so groß wie eine Untertasse. Sie brauchte sich nicht zu bemühen, mit ihrem Gesicht Mitgefühl auszudrücken, das kam von ganz allein. »Du warst mit deinem Mann zusammen in Slowenien. Du hast Vilma mitgeholt, meine Tochter.«
Virpi Vasamas Reaktion verriet alles. Die Frau wurde rot bis über beide Ohren, brachte keine Silbe heraus und suchte mit ihrem Blick vergeblich einen Zufluchtsort im eigenen Wohnzimmer. »Jose war allein dort, ich bin nicht …«, murmelte sie und sank aufs Sofa.
Kati Soisalo setzte sich neben sie und legte die Hand auf den großen blauen Fleck. »Du hast deinem Mann erklärt, dass du die Wahrheit sagen willst, stimmt’s? Hat er dich deswegen geschlagen?«
»Das Schwein braucht nie einen Grund«, fauchte Virpi Vasama und legte die Hand auf ihre Augen.
»Hilf mir, dann helfe ich dir. Wenn du willst, kann ich meine Informationen an die Polizei weitergeben. Dein Mann muss dann mehrere Jahre sitzen und …«
»Na schönen Dank. Scheiße. Eben hast du noch gesagt, du willst nichts weiter als deine Tochter finden. Ich schaffe es nicht, das Kind allein zu versorgen. Die Wohnung gehört auch Jose, und wir sind nicht mal verheiratet.«
Kati Soisalo begriff, dass sie einen Fehler begangen hatte. »Ich lasse deinen Mann natürlich in Ruhe, wenn du es möchtest. Das war nur ein Vorschlag. Ich dachte, dass …« Sie warf einen Blick auf Virpi Vasamas blauen Fleck und wusste nicht, wie sie weitermachen sollte, ohne die Frau noch mehr zu verärgern.
Kara versuchte die verfahrene Situation zu retten. »Sag uns, wer der Auftraggeber war, dann lassen wir dich und deinen Mann in Ruhe. Ein Martin Tamm ist es jedenfalls nicht gewesen, das wissen wir.«
Virpi Vasama schaute Kati Soisalo lange an und warf dann einen Blick auf den Kinderwagen, der auf dem Balkon stand. »Ein ganz normales Ehepaar war das. Die sind vor Glück ganz hin gewesen, als sie Vilma gesehen haben. Der Mann hat allerdings nicht Finnisch gesprochen.«
Kati Soisalo hätte am liebsten vor Freude geschrien. »War Vilma in Ordnung? Wie sah sie aus, hatte sie …«
Kara legte die Hand auf ihre Schulter und drückte, bis Kati sich beruhigte. »Kennst du den Namen des Paares?«, fragte er Virpi Vasama.
»Nein. Und Jose wird ihn auch kaum kennen.« Virpi Vasama betrachtete ihre Hände und klopfte mit dem Fuß aufs Parkett.
Kati Soisalo hatte das Gefühl, dass die Frau krampfhaft versuchte, etwas für sich zu behalten. Irgendeine echte Enthüllung hing förmlich in der Luft. »Hilf mir. Ich verspreche, dass du es nicht bereuen wirst. Du weißt etwas und rückst nicht damit heraus.«
Virpi Vasama zögerte noch einen Augenblick, hob dann den Kopf und schaute Kati Soisalo an. »Ihr müsst den Auftraggeber finden, den, der es bezahlt hat. Das war irgend so ein verdammt wichtiger Typ. Jose ist vor dem weich wie Wachs geworden, er hat gewusst, dass an der Sache etwas faul ist, war aber trotzdem mit allem einverstanden, was der Auftraggeber wollte.«
»Wir brauchen den Namen«, drängte Kara.
»Den kenne ich nicht«, sagte die Frau entschieden. »Jose hat den Namen des Mannes nicht gesagt, obwohl ich danach gefragt habe.«
In dem Raum herrschte für eine Weile Schweigen. Kati Soisalo dachte fieberhaft nach, obwohl sie am liebsten weitere Fragen zu Vilma gestellt hätte.
»Würdest du das Ehepaar auf Fotos erkennen?«, fragte Kara schließlich.
Virpi Vasama überlegte kurz. »Ich habe sie vor drei Jahren etwa zwei Minuten gesehen. Die Frau war ziemlich groß und brünett, der Mann dünn und blond. Es schien so, als hätte in der Familie die Frau die Hosen an. Aber an ihre Gesichter würde ich mich nicht mehr erinnern.«
Plötzlich erklang auf dem Balkon lebhaftes Geschrei und Virpi Vasama schnellte hoch wie ein Schachtelteufel. »Ihr müsst jetzt gehen. Und denkt daran, was ihr versprochen habt«, sagte sie und begann ihr Wiegenlied zu singen, noch bevor sie bei ihrem Kind war.
Kati Soisalo gab der Frau ihre Visitenkarte. »Hier sind meine Kontaktdaten. Ruf an, wenn … dir etwas einfällt.«
»Wäre es jetzt schon an der Zeit, die Polizei um Hilfe zu bitten?«,gab Kara im Treppenhaus zu bedenken, nachdem er die Wohnungstür geschlossen hatte.
»Und was willst du denen sagen?«, fuhr Kati ihn an. »Glaubst du, dass Sinko, Vasama oder irgendjemand von ProTurva der Polizei mehr sagen würde, als wir herausbekommen haben?
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