Rote Gruetze mit Schuss
sich wie ein Lauffeuer verbreitet, ebenso die seinerFreilassung. Über potenzielle Mörder wird wild spekuliert. Aber die Meldung des Tages ist dann doch Nicole Stappenbeks Besuch im Salon Alexandra. Zur Klärung des Verhältnisses zwischen Ketels und Alexandra hatte die Kommissarin der Friseurmeisterin morgens einen Besuch abgestattet. Zwei Stunden später verließ sie den Salon ohne entscheidende neue Erkenntnisse, aber mit einer neuen Frisur fürs Feuerwehrfest.
»Na, hast deine Kieler Sprotte schon gesehen?«, wurde Thies mittags in »De Hidde Kist« höhnisch begrüßt.
»Auf einmal hat die so ’ne Löwenmähne«, gluckste Antje.
»Na ja«, meinte Klaas. »Eher wie ’n Flokati, der mal wieder in die Reinigung müsste.«
Nicht nur Nicole war beim Friseur. Die gesamte Fredenbüller Damenwelt ist zum Feuerwehrfest mit neuen Haarkreationen erschienen. Alexandra und Lehrling Janine mussten in den letzten beiden Tagen Extraschichten einlegen. Die Resultate sind beeindruckend. Heikes Freundin Sandra hat einen streichholzlangen Struppelschnitt auf dem Kopf, der in langes Nackenhaar mit rotvioletten Strähnen ausläuft. Sie sieht aus wie ein Apachenhäuptling. Die Frau des Bürgermeisters hat eine doppelte Portion Zuckerwatte auf dem Kopf. Marrets Frisur ähnelt dem Zeug, mit dem man Postpäckchen auspolstert. Heike hat wieder glatte Haare. Diesmal ist es Thies glücklicherweise gleich aufgefallen. Und eines haben die Damen gemeinsam. Sie duften intensiv nach dem neuen Raumspray aus dem »Salon Alexandra«: Maiglöcken.Die Fredenbüller haben den festen Vorsatz, sich heute Abend zu amüsieren. Alle sind gekommen. Kommissarin Stappenbek will unbedingt mitfeiern, und Kriminaltechniker Mike Börnsen ist extra aus Kiel angereist.
Mehrere Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr von Fredenbüll haben draußen auf den Strohballen bereits zünftig getankt. Hühnerbaron Dossmann hat mehrere Runden spendiert. Die blaue Festtagsuniform von Brandmeister Thormählen sitzt schon etwas lässiger. Auf dem Großgrill kokeln ein paar vergessene Thüringer vor sich hin, für die auch Susi nur einen verächtlichen Seitenblick übrig hat. Der Schäfermischling streunt gut gelaunt auf der Suche nach einem vegetarischen Happen zwischen den Strohballen und Bierbänken umher.
Leif Ketels genießt die wiedergewonnene Freiheit. Er hat ein Pflaster weniger im Gesicht und trägt statt Mullverband jetzt eine elastische Binde um die linke Hand. Neben mehreren leeren Schnapsgläsern hat er einen doppelten Küstennebel vor sich stehen und erzählt allen von seinen Erfahrungen aus der Haft. Der Eppendorfer Professor, der mit seiner jungen Assistenzärztin gekommen ist, lästert mal wieder über den Jauchemief.
»Stormy Weather« müht sich redlich, den Saal in Schwung zu bringen. Doch Bountys Favoriten aus den Siebzigern provozieren bei den Fredenbüllern nur ein müdes Abwinken. Bei dem dazwischengeschobenen ›An der Nordseeküste‹ kommt kurz mal Stimmung auf, die Bounty aber mit einem zehnminütigen Gitarrensolo gleich wieder dämpfen kann. Auch die neueSängerin aus Flensburg, in enger schwarzer Lederhose, mit doppelreihigem Schellenring und Glitter im Haar, kann die friesische Feuerwehr bislang noch nicht vom Hocker reißen.
Sandra, Marret, Friseurin Alexandra und Heike stehen an der improvisierten Sektbar gegenüber der Bühne. Sie tuscheln mit Blick auf Mike Börnsen und glucksen wie die Teenager. Als der blonde Spusi-Mann den Damen eine Runde Sekt spendiert, wird die Stimmung vertraulicher. Börnsen erzählt Schauermärchen aus der Welt der Kriminaltechnik und erklärt der juchzenden Frauenriege, wie die Spermaspuren auf den Mähdrescher gekommen sind.
Verständnislos betrachtet Thies Börnsens Auftritt aus der Ferne. »Kann doch nich sein, der Junge is doch noch ’n Grünschnabel«, raunt er Brandmeister Thormählen zu.
»Brodersen braucht einen Nachfolger«, sagt der Feuerwehrmann. »Ich mocht ihn ja nich, aber da war Brodersen doch ’n anderes Kaliber.«
Die beiden blicken versonnen auf die Tanzfläche, auf der ein mutiges Paar zu den Klängen von ›Angie‹ einsam durch die Fachwerkscheune schiebt. Hündin Susi hat es sich derweil unter dem Bierausschank gemütlich gemacht und knabbert an einem roten Damenpumps, den sie irgendwo im Gelände erbeutet hat.
Wie sonst auch sitzen Piet Paulsen, Klaas und Antje zusammen, statt am Stehtisch heute eine Etage tiefer an einem der Biertische, ein seltsames Bild, zumal Antje ohne
Weitere Kostenlose Bücher