Rote Lilien
das Tablett auf einen Beistelltisch. »Und wir möchten Sie auch nicht lange aufhalten.«
»Ihre Großmutter war eine sehr warmherzige Frau. Ich habe sie zwar nicht sehr gut gekannt, aber Ihr Großvater und mein erster Mann hatten vor vielen Jahren einmal eine Firma zusammen. Eine Immobilienfirma«, fügte sie hinzu, »die für beide Seiten äußerst rentabel war. Aber kommen wir zur Sache: Warum steht plötzlich ihr Enkel vor meiner Tür?«
»Es geht um ein Armband aus dem Nachlass Ihrer Mutter.«
Sie sah ihn interessiert an. »Der Nachlass meiner Mutter.«
»Ja, Ma-am. Ich habe ein Armband gekauft, bei einem Juwelier, der einige Stücke aus dem Nachlass erworben hat.«
»Und? Stimmt etwas nicht mit dem Armband?«
»O Nein, nein, Ma-am. Ich hatte nur gehofft, dass Sie mir etwas über dieses Armband erzählen könnten, da ich mich sehr für seine Herkunft interessiere. Man hat mir gesagt, dass es etwa um 1890 herum angefertigt worden ist. Es besteht aus Rubinherzen, die von Diamanten eingerahmt sind.«
»Ja, ich kenne das Stück. Vor einiger Zeit habe ich das Armband und einige andere Schmuckstücke verkauft, weil sie mir nicht gefallen haben und ich keine Notwendigkeit gesehen habe, sie in einem Schließfach aufzubewahren. Der Tod meiner Mutter ist schließlich schon einige Jahre her.« Sie trank einen Schluck und sah Harper an. »Und Sie möchten also etwas über die Herkunft des Armbands wissen?«
»Ja, Ma-am.«
»Allerdings haben Sie mir noch nicht erzählt, warum Sie sich so dafür interessieren.«
»Ich habe Grund zur Annahme, dass das Armband - oder eines, das fast genauso aussieht - früher einmal im Besitz meiner Familie gewesen ist. Ich fand das sehr interessant, und um meine Neugier zu befriedigen, dachte ich, ich könnte ja etwas Zeit investieren, um mehr über seine Herkunft zu erfahren.«
»Wirklich? Das wiederum finde sehr interessant. Mein Großvater hat das Armband 1893 meiner Großmutter geschenkt, zum Hochzeitstag. Es wäre allerdings durchaus möglich, dass damals mehr als ein Armband nach diesem Entwurf hergestellt wurde.«
»Ja, das wäre möglich.«
»Es gibt allerdings eine Geschichte zu dem Armband, die Sie vielleicht hören möchten.«
»Sehr gern.«
Sie bot ihnen eine Platte mit Keksen an, die sie mit dem Tee zusammen hereingebracht hatte, und wartete, bis Harper und David sich bedient hatten. Dann lehnte sie sich mit einem wehmütigen Lächeln auf dem Gesicht zurück. »Die Ehe meiner Großeltern war nicht sehr glücklich, da mein Großvater ein Hallodri war. Er war ein Spieler, der windige Geschäfte machte und die Gesellschaft leichter Mädchen suchte - meinte jedenfalls meine Großmutter, die mit achtundneunzig Jahren gestorben ist. Ich kannte sie also sehr gut.« Sie stand auf, ging zu einer Etagere und nahm ein Foto in einem schmalen Silberrahmen herunter. »Meine Großeltern«, sagte sie, während sie Harper das Foto gab. »Das Porträt wurde 1891 aufgenommen. Hallodri hin oder her, er war jedenfalls ein gut aussehender Mann, wie sie hier sehen können.«
»Das trifft auf beide zu.« Harper fiel auf, dass Kleidung, Frisuren und selbst der Farbton des Bildes den Kopien der Fotos ähnelten, die Mitch an seiner Pinnwand aufgehängt hatte. »Sie war eine sehr schöne Frau.« David sah Mrs Fitzpatrick an. »Und Sie sind ihr sehr ähnlich.«
»Sie sind nicht der Erste, der das sagt. Vom Aussehen her und auch vom Charakter.« Sie nahm das Foto und stellte wieder an seinen Platz. »Meine Großmutter sagte immer, zwei der glücklichsten Tage in ihrem Leben seien ihr Hochzeitstag gewesen, an dem sie noch zu jung und zu dumm gewesen sei, um zu wissen, auf was sie sich da einließ, und der Tag, an dem sie zur Witwe wurde. Das war zwölf Jahre später, und sie war froh, dass sie das Leben ohne die Bürde eines Mannes, dem sie nicht vertraute, genießen konnte.« Sie setzte sich wieder und nahm ihr Glas. »Wie Sie selbst gesehen haben, war er ein gut aussehender Mann. Ein charmanter Mann, wenn man den Erzählungen glauben darf, und jemand, der am Spieltisch und bei seinen windigen Geschäften einen bemerkenswerten Erfolg hatte. Aber meine Großmutter war eine Frau mit sehr strengen Moralvorstellungen. Allerdings war sie auch in der Lage, diese Grundsätze gerade so weit zu beugen, dass sie den Erfolg ihres Mannes genießen konnte, obwohl sie ihn moralisch verurteilte.« Sie stellte ihr Glas ab und lehnte sich wieder zurück. Offenbar genoss sie ihre Rolle
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