Roter Drache
Versuchung an, die Limonadendose unverzüglich an Jimmy Price in Washington zu schicken. Doch da er auf die Unterstützung der Polizei von Birmingham angewiesen war, schien es ihm angeraten, die Dose ihren Spezialisten zu überlassen. Sie wegen Fingerabdrücken einzustäuben, war weiter keine Schwierigkeit. Etwas anders verhielt es sich dagegen schon mit der Suche nach Fingerabdrücken, die sich infolge säurehaltiger Schweißrückstände in das Metall der Dose geätzt hatten. Aber das konnte Price immer noch versuchen, nachdem sie in Birmingham die Dose auf die übliche Art nach Fingerabdrücken untersucht hatten, solange sie dabei von niemandem mit bloßen Fingern berührt wurde. Es war besser, sie vorerst der Polizei auszuhändigen.
Zugleich war ihm klar, daß sich die Dokumentenabteilung des FBI wie ein tollwütiger Marder auf die Schnitzerei in dem Ast stürzen würde. Er würde sich jedenfalls nichts vergeben, wenn er die Aufnahmen davon allen zukommen ließ.
Er rief die Mordkommission von Birmingham vom Haus der Jacobis aus an. Die Beamten trafen genau zu dem Zeitpunkt ein, als Geehan, der Makler, potentielle Käufer ins Haus führte.
11. K APITEL
E ileen las im National Tattler gerade einen Artikel mit der Über schrift ›Schmutz im Brot!‹, als Dolarhyde in die Kantine kam. Sie hatte nur die Füllung ihres Thunfischsalat-Sandwichs gegessen.
Hinter der roten Brille zuckten Dolarhydes Augen im Zickzack über die Titelseite des Tattler. Neben ›Schmutz im Brot!‹ lauteten die Schlagzeilen ›Elvis in geheimem Liebesnest - exklusive Fotos!!‹, ›Durchbruch für Krebsopfer!‹ und ganz oben schließlich ›Hannibal der Kannibale unterstützt Polizei bei den Ermittlungen in den ,Zahnschwuchtelmorden’‹.
Er stand gedankenversunken am Fenster und rührte in seinem Kaffee, bis er Eileen aufstehen hörte. Sie warf ihr Tablett in den Abfallbehälter und wollte ihm eben auch den Tattler folgen lassen, als Dolarhyde ihr auf die Schulter tippte.
»Könnte ich vielleicht Ihre Zeitung haben, Eileen?« »Aber sicher, Mr. D. Ich kaufe sie mir sowieso nur wegen des Horoskops.«
Dolarhyde las sie hinter verschlossener Tür in seinem Büro. Auf der zweiten und dritten Seite war Freddy Lounds gleich mit zwei Artikeln vertreten. Einer davon war eine atemberaubende Rekonstruktion der Morde an den Jacobis und den Leeds’. Da die Polizei hinsichtlich der Weitergabe von Einzelheiten nicht gerade großzügig verfahren war, konnte Lounds nur in wilden Spekulationen schwelgen.
Dolarhyde fand sie ziemlich hanebüchen.
Wesentlich interessanter war dagegen der Begleitartikel zur Schlagzeile auf der Titelseite:
Geistesgestörter Strafgefangener wird von dem Polizisten, den er umzubringen versucht hat, zu den jüngsten Massenmorden konsultiert.
Von unserem Redaktionsmitglied Freddy Lounds
Chesapeake, MD. - Da die Kopfjäger des FBI in ihren Ermittlungen nach der ›Zahnschwuchtel‹, dem psychopathischen Schlächter ganzer Familien aus Birmingham und Atlanta, bisher keine Fortschritte verzeichnen konnten, sind sie in ihrer Not an den gefährlichsten Killer, der sich je in Gefangenschaft befand, mit der Bitte herangetreten, sie in ihren Bemühungen zu unterstützen.
Dr. Hannibal Lecter, über dessen unsägliche Praktiken vor drei Jahren an dieser Stelle ausführlich berichtet wurde, wurde diese Woche in seiner Zelle im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses von Chesapeake von FBI-Staragent William (Will) Graham aufgesucht. Graham wäre aufgrund von Verletzungen, die Lecter ihm im Zuge seiner Festnahme beigebracht hatte, fast ums Leben gekommen. Nun hat er sich überreden lassen, aus seinem frühzeitigen Ruhestand zurückzukehren, um die Ermittlungen gegen die ›Zahnschwuchtel‹ zu leiten.
Worum ging es bei diesem Treffen zweier Todfeinde? Was wollte Graham von Lecter?
»Gleich und gleich gesellt sich gern«, äußerte sich ein hoher FBI-Beamter dem Verfasser dieses Berichts gegenüber. Er spielte damit auf Lecter an, der als ›Hannibal der Kannibale‹ zu trauriger Berühmtheit gelangte und nicht nur ein Massenmörder, sondern auch ein weithin anerkannter Psychiater ist.
Oder sollte er damit etwa Graham gemeint haben???
Wie aus sicherer Quelle verlautet, hat Graham, ehemaliger gerichtsmedizinischer Dozent an der FBI-Akademie in Quantico, Va., sich über einen Zeitraum von vier Wochen in einer Nervenheilanstalt aufgehalten...
Maßgebliche FBI-Stellen weigerten sich, ihre Gründe zu nennen, einen Mann mit einer
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