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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Deshalb habe ich den Polizisten gebeten, zu unserer Unterstützung ein Sondereinsatzkommando anzufordern. Doch dann konnte ich plötzlich in der Wohnung ein Kind schreien hören. Ich hätte natürlich lieber gewartet, aber ich konnte nicht.«
»Du bist in die Wohnung rein?«
»Ja. Hobbs hatte seine Tochter von hinten gepackt und traktierte sie mit einem Messer. Daraufhin habe ich ihn erschossen.«
»Ist das Mädchen gestorben?«
»Nein.«
»Ist sie wieder ganz gesund geworden?«
»Es hat zwar einige Zeit gedauert, aber ja, inzwischen ist sie wieder ganz in Ordnung.«
Das mußte Willy erst einmal stumm verdauen. Von einem vor Anker liegenden Segelboot drang leise Musik übers Wasser herüber.
Zwar konnte Graham für Willy gewisse Dinge auslassen, aber dadurch ließ sich nicht vermeiden, daß er sie sich selbst um so deutlicher wieder vergegenwärtigte.
Er hatte zum Beispiel die Sache mit Mrs. Hobbs ausgelassen, die sich, von unzähligen Stichwunden übersät, auf dem Treppenabsatz sterbend an ihn geklammert hatte. Und als er dann sah, daß sie tot war, und die Entsetzenschreie aus der Wohnung gellen hörte, mußte er erst die glitschig roten Finger von sich lösen, bevor er sich mehrmals mit voller Wucht gegen die Wohnungstür werfen konnte und diese endlich nachgab. Wie er dann mit schrecklich schmerzender Schulter Hobbs vor sich hatte, der von hinten seine Tochter umklammert hielt und dem sich verzweifelt wehrenden Mädchen die Kehle durchzuschneiden versuchte. Sie trat wie wild um sich und preßte mit aller Kraft ihr Kinn nach unten, und dann hatte er mit seiner 38er losgeballert, daß die Fetzen flogen, aber Hobbs stach immer noch auf das Mädchen ein und wollte einfach nicht zu Boden gehen. Und dann endlich saß Hobbs schluchzend auf dem Boden, neben sich das entsetzlich röchelnde Mädchen. Hobbs hatte ihr zwar die Luftröhre durchgeschnitten, aber noch nicht die Halsschlagader. Das Mädchen starrte ihn mit weit aufgerissenen, glasigen Augen an, während der Vater auf dem Boden hockte und »Siehst du? Siehst du?« schluchzte, bis er tot zur Seite sackte.
Seitdem hatte Graham seinen Glauben an 38er verloren.
»Weißt du, Willy, diese Geschichte mit Hobbs hat mir schwer zu schaffen gemacht. Das Ganze wollte mir einfach nicht aus dem Kopf gehen, und ich habe diese schrecklichen Ereignisse in meiner Erinnerung immer wieder von neuem durchlebt. Das wurde schließlich so schlimm, daß ich an nichts anderes mehr denken konnte. Ich zermarterte mir den Kopf, wie ich es besser hätte machen können. Und an irgendeinem Punkt habe ich dann aufgehört, überhaupt noch etwas zu fühlen. Ich konnte nichts mehr essen, und ich sprach mit keinem Menschen mehr. Ich war fürchterlich depressiv. Als mir daraufhin ein Arzt geraten hat, in eine Klinik zu gehen, habe ich das getan. Nach einer Weile begann ich, über das Ganze hinwegzukommen. Hobbs’ Tochter kam mich besuchen. Sie war inzwischen wieder gesund, und wir führten lange Gespräche. Schließlich hatte ich das Gefühl, die Sache einigermaßen verdaut zu haben, so daß ich meinen Dienst wieder aufnehmen konnte.«
»Ist es so schlimm, jemanden umzubringen, selbst wenn man dazu gezwungen ist?«
»Es gibt wohl kaum etwas Schlimmeres auf der Welt, Willy.«
»Ich geh’ mal schnell in die Küche. Möchtest du was zu trinken? Ein Coke vielleicht?« Willy tat Graham solche Gefallen gern, aber er ließ es immer so erscheinen, als würde er das mehr nebenbei mit etwas anderem, was er sowieso tun wollte, erledigen.
»Ja gern, ein Coke.«
»Ich schau mal nach, ob Mom auch nach draußen kommen und sich die Lichter ansehen will.«
    Spät am Abend saßen Graham und Molly auf der hinteren Veranda. Es regnete leicht, und die Lichter der Boote waren im Dunst von matten Höfen umgeben. Die kühle Brise, die vom Wasser heraufwehte, verursachte ihnen eine leichte Gänsehaut.
    »Könnte doch sein, daß wir länger hier bleiben müssen, oder nicht?« fragte Molly.
»Ich hoffe es zwar nicht, aber es ist durchaus möglich.«
»Evelyn hat gesagt, sie könnte diese Woche und die ersten vier Tage der nächsten den Laden für mich übernehmen. Aber wenn die Vertreter kommen, muß ich mindestens ein, zwei Tage nach Marathon zurück. Ich könnte ja bei Evelyn und Sam wohnen. Außerdem würde ich gern auf die Messe in Atlanta gehen. Ich muß auf jeden Fall die Einkäufe für den Herbst erledigen.«
»Weiß Evelyn, wo du jetzt bist?«
»Ich habe ihr nur gesagt, daß ich nach Washington

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