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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Munition war nicht minder interessant. Erst kam eine Schachtel mit leichter Schießstandmunition, dann die reguläre Dienstmunition und schließlich etwas, wovon der Schießstandwart zwar schon viel gehört und gelesen, aber kaum etwas gesehen hatte. Eine Packung von GlaserSicherheitsgeschossen, die wie Bleistiftstummel aussahen. Hinter jeder Spitze war ein Kupfergehäuse angebracht, das in flüssiges Teflon gebetteten Zwölferschrot enthielt.
Dieses leichte Geschoß erreichte eine extrem hohe Geschwindigkeit und gab nach seinem Eindringen in das Ziel den Schrot frei. Geschah dies in Fleisch, waren die Folgen verheerend. Der Schießstandwart hatte sogar genaue Zahlen im Kopf. Bislang waren lediglich neunzig solcher Glasergeschosse auf Menschen abgefeuert worden. In allen neunzig Fällen waren die Angeschossenen unmittelbar zum Stillstand gebracht worden. Und in neunundachtzig Fällen war der sofortige Tod eingetreten. Ein Mann hatte zur Überraschung der Ärzte überlebt.
Die Glasergeschosse brachten noch einen weiteren Sicherheitsvorteil mit sich: Sie verursachten keine Querschläger; außerdem konnten sie keine Wand durchschlagen und eine Person töten, die sich dahinter aufhielt.
Der Mann war sehr zärtlich zu der Frau und brachte ihr alles sehr behutsam und liebevoll bei; trotzdem haftete ihm auch etwas Trauriges an.
Die Frau hatte sich inzwischen zur regulären Dienstmunition hochgedient, und der Schießstandwart nahm voller Zufriedenheit zur Kenntnis, daß sie mit dem Rückstoß hervorragend zurechtkam; sie behielt beide Augen offen und zuckte nicht zusammen. Zwar brauchte sie noch immer vier Sekunden, bis sie die Waffe aus ihrer Umhängetasche hatte und den ersten Schuß abfeuerte, aber dafür hatte sie dreimal in den innersten Ring getroffen. Für eine Anfängerin keineswegs schlecht. Sie hatte offensichtlich Talent.
Er war bereits einige Zeit wieder im Kontrollraum, als er das höllische Krachen der Glasers hörte. Sie feuerte alle fünf Patronen ab. Das entsprach keineswegs der FBI-Standardprozedur.
Der Schießstandwart fragte sich, wen sie wohl durch die schwarze Silhouette der Zielscheibe personifiziert sahen, daß sie fünf Glaser brauchten, den Betreffenden zu töten.
Graham betrat den Kontrollraum, um die Ohrenschützer zurückzugeben. Seine Schülerin blieb draußen mit gesenktem Kopf, die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt, auf einer Bank sitzen.
Der Schießstandwart fand, daß der FBI-Mann allen Grund hatte, zufrieden mit ihr zu sein, und sagte ihm das auch. Für nur einen Tag hatte sie enorme Fortschritte gemacht. Graham dankte ihm abwesend. Sein Gesichtsausdrück stürzte den Schießstandwart in sichtliche Verwirrung. In seinen Augen wirkte er wie ein Mann, der sich eben einen unwiederbringlichen Verlust hatte eingestehen müssen.

16. K APITEL

    D er Anrufer, der sich ›Pilger‹ genannt hatte, hatte Sarah ge sagt, er würde am nächsten Nachmittag vielleicht noch einmal anrufen. Im FBI-Hauptquartier hatte man nun gewisse Vorbereitungen getroffen, diesen Anruf entgegenzunehmen.
    Wer war dieser mysteriöse ›Pilger‹? Jedenfalls nicht Lecter dessen hatte Crawford sich vergewissert. War der Pilger die Zahnschwuchtel? Durchaus möglich, fand Crawford.
    Die Schreibtische und Telefone aus Crawfords Büro waren über Nacht in einen größeren Raum auf der anderen Seite des Flurs geräumt worden.
    Graham stand in der offenen Tür einer schalldichten Kabine. Hinter ihm stand Crawfords Telefon. Sarah hatte es extra geputzt. Da ihr Schreibtisch und der daneben mit einem Stimmfrequenzspektrographen, Tonbandgeräten und sonstigen Apparaturen vollgestellt waren und Beverly Katz ihren Platz einnahm, brauchte Sarah einfach eine Beschäftigung.
    Auf der großen Uhr an der Wand war es zehn Minuten vor zwölf Uhr mittags.
Neben Graham stand Dr. Alan Bloom und Crawford. Sie hatten alle drei, Hände in den Hosentaschen, dieselbe abwartende Haltung eingenommen.
Ein Techniker, der Beverly Katz gegenübersaß, trommelte nervös mit den Fingern auf die Schreibtischplatte, bis ihn ein Stirnrunzeln Crawfords verstummen ließ.
Auf Crawfords Schreibtisch standen zwei neue Telefone; eines davon war an eine offene Leitung zur elektronischen Schaltzentrale der Telefongesellschaft Bell System angeschlossen, und das andere war direkt mit der FBI-Kommunikationszentrale verbunden.
»Wie lange brauchen Sie, um festzustellen, woher ein Anruf kommt?« wollte Dr. Bloom wissen.
»Mit den neuen Relais geht das wesentlich

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