Roter Herbst - Kriminalroman
Tod gefoltert hat.«
»Falsch! Den man zu Tode gefoltert hat. Das ist ein Unterschied.«
Aber nicht für uns, dachte Bichlmaier. »Auf jeden Fall haben wir zwei Mordopfer und beide wurden vor ihrem Tod, und meinetwegen auch bis zu ihrem Tod, kräftig in die Mangel genommen. Warum? Das ist die Frage.«
»Vielleicht hat jemand Geschmack daran gefunden oder nimmt für etwas Rache, das in der Vergangenheit liegt.«
»Rache? Wofür? Dafür, dass unser Mann aus dem Moor vor einer halben Ewigkeit ein minderjähriges Mädchen geschwängert und danach sitzen gelassen hat?« Er dachte eine Weile lang nach und fuhr dann fort: »Dann hätten wir im Übrigen viele Morde. Müssten da nicht Hunderttausende junger Väter gemeuchelt werden, die ebenso das Weite gesucht haben? Das Ganze ist außerdem viel zu lange her. Wir wissen ja nicht einmal, was damals wirklich passiert ist. Und wie passt das Rachemotiv zu dem zweiten Opfer? Nein …«
»Was könnte dann dahinterstecken?«
»Hm.« Bichlmaier legte seine Stirn in Falten und schob die Brille hoch. »Ich werde den Gedanken nicht los, dass jemand etwas sucht. Etwas, was so viel wert ist, dass man dafür Menschen zu Tode foltert. Was hältst du von diesem Gedanken?«
Amanda sah Bichlmaier mit einem düsteren Blick an. »Was um Himmels willen sollte das sein?«
»Das kann man nicht so genau sagen. Das könnte wer weiß was sein. So ziemlich alles ist da möglich.«
»Vielleicht hast du recht«, meinte sie nachdenklich. »Auch der Mann in München, das zweite Opfer, scheint nach etwas gesucht zu haben. Etwas, das er bei Marlies vermutet hat, in ihrer Wohnung …«
»Ob er deswegen getötet wurde?«
»Jemand wollte wissen, ob er fündig geworden war.«
»Und Marlies? Die Kollegen in München sind sich nicht ganz sicher, ob jemand in ihre Wohnung eingestiegen ist. Ob es da überhaupt einen Zusammenhang gibt?«
»Ich weiß es nicht, jedenfalls im Moment nicht.«
Bichlmaier blickte durch die geöffnete Tür, den Gang entlang, durch den er vor geraumer Zeit gekommen war. Vorn, dort wo die Sekretärin mit den roten Krallen saß, nahm er die Silhouette von Percy Johnson wahr, der intensiv auf die junge Frau einredete.
»Was tut eigentlich der hier?«, fragte er.
Amanda war seinem Blick gefolgt. Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist er auch auf der Suche nach etwas.«
Rune konnte sich nicht länger gegen den Drang seiner Blase wehren und spürte, wie sich der warme Urin in seine Hosen ergoss und an den Innenseite der Schenkel hinablief. Er hatte die ganze Zeit geschrien und gerufen, aber es war niemand gekommen, der ihn von seinen Fesseln befreit hätte. Weder die Frau noch der Mann, der ihn niedergeschlagen hatte. Wie lange das wohl her war? Er hatte keine rechte Vorstellung.
Die Schmerzen, die er während der letzten Stunden empfunden hatte, waren etwas gedämpft gewesen, nicht mehr so stark, wie am Anfang, so, als habe man ihm ein Schmerzmittel verabreicht. Vielleicht war etwas in dem Tee gewesen, den ihm die Frau vor einer Ewigkeit gebracht hatte. Sie hatte die Tasse an seine Lippen gesetzt und ihm die lauwarme Flüssigkeit langsam eingeflößt. Dabei hatte sie leise vor sich hingemurmelt. Laute, die für ihn keinen Sinn ergeben hatten. Er hatte sie angebettelt, ihn freizulassen, aber es hatte den Anschein gehabt, als habe sie ihn gar nicht verstanden.
Alles hatte sich wie in einem Nebel abgespielt, zwischen halber Bewusstlosigkeit und schmerzhaftem Wachsein.
Durch ein Fenster hoch über ihm drang Licht in den Raum. Weißes, kaltes Licht, das kaum den Weg hereinfand. Die Lampe, die über ihm hing, war erloschen. Draußen schien es hell zu sein. Er musste plötzlich an Sandor denken. Ob ihn der Mann nach seinem Niederschlag erschossen hatte? Aber vielleicht war Sandor ja entkommen. Hunde wissen, wie man sich vor den Menschen in Sicherheit bringt. Vielleicht würde er sogar Hilfe holen. Ein Strohhalm …
Hinter ihm wurde die Tür geöffnet, leise, aber er hörte es. Er wusste sofort, dass es nicht die Frau war, sondern der Mann. Er konnte es am Atmen erkennen. Er kannte ihn und der Mann war sich bewusst, dass er ihn erkannt hatte, dachte er. Der Mann würde ihn töten, denn er konnte sich ausmalen, was passieren würde, wenn er ihn freiließ.
Er registrierte, wie der Mann sich hinter ihm bewegte. Instinktiv begann er, an seinen Fesseln zu zerren. Aber er spürte lediglich, dass sich der raue Strick schmerzhaft in seine Gelenke rieb.
»Warum bist du
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