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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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meterlang und geschmeidig wie eine Schlange. Lee ging
in der Hypermodus, pflückte einen Helm aus dem
Blumenstrauß über dem Sofa des Leichnams und setzte ihn
sich auf den Kopf.
    Und war anderswo.

 
     

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    Wei Lee stand auf einer allmählich dunkel werdenden Ebene
unter einem Kettenpanzer-Himmel, der sich unter der Last rasender
Datenströme spannte und drehte. Er erstreckte sich zu einer
Mauer, dunkelrot wie getrocknetes Blut und übersät mit
Verteidigungstürmen. Die massige Wand stand drohend da wie ein
Gewitter, mehr gespürt als gesehen. Signale knisterten von Turm
zu Turm, wie Hitzeblitze. Jenseits der Mauer und ihrer Türme
schwebte ein Gewirr von hohen spitzen Dächern, die mit lasierten
ockerfarbenen Ziegeln gedeckt waren. Es war die Verbotene Stadt.
    Die Luft neben Lee verzerrte sich und schimmerte, wie von einem
unsichtbaren Feuer erhitzt. Sie bildete eine zusammengekrümmte
menschliche Gestalt aus, und dann war der Junge neben ihm.
    »Nummer Achtundvierzig! Was tust du hier?« Aber Lee war
nicht wirklich ärgerlich, denn die Gegenwart des Jungen
bedeutete, daß er nicht allein zu diesem schrecklichen Ort
gehen müßte.
    »Du bist weg«, sagte Nummer Achtundvierzig anklagend.
»Du hast mich verlassen. Ich wollte lediglich sehen, wohin du
verschwunden bist.«
    »Es ist die Verbotene Stadt. Wir werden den Kaiser sehen.
Nimm meine Hand.«
    Nummer Achtundvierzig wich vor Lee zurück. »Aber niemand
sieht Ihn! Er ist unsterblich, unsichtbar und überall
zugleich!«
    Blitze flammten von Spitze zu Spitze der fernen Türme;
massige Donnerschläge rollten über die Ebene, worauf sie
standen.
    Jeder Schritt versetzte sie wie Schachfiguren über den Raum.
Ein hohes Tor befand sich in den blutroten Mauern. Wumen, das
Meridian-Tor, die Hinrichtungsstätte. Es öffnete sich
für sie, doch sie waren bereits innerhalb der Mauern, standen
auf einem Innenhof, der von dem sich zurückschwingenden
Tartarenbogen des Goldenen Wasserstroms durchschnitten wurde.
Fünf benommen machende weiße Marmorbrücken bogen sich
über den glitzernden Strom, die zum Tor der Obersten Harmonie
führten. Jenseits des Tores war ein weiterer Innenhof, und am
anderen Ende des Hofs erhoben sich die Marmorterrassen, auf denen die
drei großen Hallen standen.
    Lee und Nummer Achtundvierzig standen direkt vor der Halle der
Obersten Harmonie. Ihre Türen wurden flankiert von bronzenen
Weihrauchgefäßen, und von jedem Gefäß stieg
eine Säule wohlriechenden Rauchs auf. Die Rauchsäulen
drehten sich zu einem Flechtwerk ineinander und mischten sich mit dem
sich biegenden Himmel. Direkt vor den Türen stand eine bronzene
Schildkröte, Symbol der Langlebigkeit und Stabilität. Ein
Feuer war in ihrem hohlen Bauch entzündet worden, und Rauch
stieg in Schwaden aus ihrem hakenförmigen Maul.
    Zu beiden Seiten der bronzenen Schildkröte standen
Wächter, aber als Lee und Nummer Achtundvierzig sich neben ihr
stehend wiederfanden, waren die Wächter verschwunden. Über
dem gepanzerten Rückenschild hing eine geisterhafte Kugel: die
sich drehende Welt, von staubigem Rot übel zugerichtet, die
Polkappen aus weißem Wassereis klein wie Daumenabdrücke:
Mars.
    Komplizierte Lichtspindeln hingen über den
zusammengeschrumpften Eiskappen. Lee wedelte mit einer Hand durch sie
hindurch, oben und unten; sie rasteten für nur eine Sekunde in
sein Virensystem ein.
    Die Entladung war wie purer Sex. Sie schleuderte Lee und Nummer
Achtundvierzig in einer raschen Aufbereitung durch den Eingang, in
einen weiten, reich geschmückten Raum, der erfüllt war vom
Tönen geschlagener Gongs, von dichten Schwaden Weihrauch und
verschwommenen Geistern. Lee konnte in der unsubstantiellen Menge
kaum einzelne Individuen unterscheiden, aber die sich wiederholenden
Bewegungen ihrer stets wechselnden Klientel ermöglichten es zu
sehen, was vor sich ging.
    Die Bittsteller verneigten sich neunmal, indem sie sich in voller
Länge auf den Boden warfen und die Platten mit der Stirn
berührten, und näherten sich dem hohen Thron, der vor dem
geschnitzten Xumi-Berg stand, dem Berg des Paradieses. Erst dann war
jedem Bittsteller gestattet, aufzustehen und darauf zu warten, von
einer Gestalt in langem Mantel und Hosen, deren Maschinencode in
einer verschlossenen Tasche an einer Kette von ihrem Gürtel
herabhing, in die stets wechselnde Menge geleitet zu werden, die
alles außer dem hohen Baldachin des Throns verbarg.
    »Komm«, sagte Lee zu Nummer Achtundvierzig, aber als

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