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Roter Zar

Roter Zar

Titel: Roter Zar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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wurden, ging ein Telefonanruf ein. Ein Mann, der sich als Offizier der Roten Armee ausgab, sagte, die Weißen würden sich den Außenbezirken der Stadt nähern. Er erteilte den Wachmannschaften den Befehl, Straßensperren zu errichten und zur Bewachung des Hauses zwei bewaffnete Männer zurückzulassen. Es gab keinen Grund, dem Befehl zu misstrauen. Jeder wusste, dass die Weißen anrückten. Also bauten sie, wie befohlen, eine Straßensperre auf. Aber die Weißen erschienen nicht. Der Anruf war ein Täuschungsmanöver gewesen. Als die Rotgardisten zum Ipatjew-Haus zurückkehrten, waren die Romanows verschwunden. Und die beiden Wachen, die sie zurückgelassen hatten, lagen erschossen im Keller.«
    »Woher weißt du das alles?«, fragte Pekkala. »Woher willst du wissen, dass das alles nicht einfach nur erfunden ist, um die Welt in die Irre zu führen?«
    »Weil ich dabei war!«, erwiderte Anton. Er klang aufgebracht, als hätte er gehofft, wenigstens dieses eine Geheimnis für sich behalten zu können. »Ich war zwei Jahre vorher der Geheimpolizei beigetreten.«
    Der Tscheka, dachte Pekkala. Zu Beginn der Revolution unter Leitung des polnischen Attentäters Felix Dserschinski gegründet, entwickelte sich die Tscheka schnell zu einer Todesschwadron, die für unzählige Morde, Folter und Entführung verantwortlich war. Wie Lenin und Stalin verlieh auch sie sich bald darauf einen neuen Namen, nannte sich erst GPU , dann OGPU , ihre blutige Aufgabe aber änderte sich nicht. Viele der früheren Mitarbeiter der Tscheka verschwanden selbst in den unterirdischen Verliesen, wo die Folterknechte ihrer Arbeit nachgingen.
    »Zwei Monate vor dem Verschwinden der Romanows«, fuhr Anton fort, »erhielt ich den Befehl, einen Offizier namens Jurowski nach Swerdlowsk zu begleiten. Dort übernahm unsere Gruppe das Kommando von der örtlichen Miliz, die bis dahin die Romanows bewacht hatte. Von da an waren wir für den Zaren und seine Familie verantwortlich. Am Abend ihres Verschwindens hatte ich dienstfrei. Ich hielt mich in einer Schänke auf, als ich von dem Anruf hörte. Ich begab mich sofort zu der errichteten Straßensperre. Und bis wir zum Ipatjew-Haus kamen, waren die Romanows verschwunden, und die beiden zurückgelassenen Wachen waren ermordet.«
    »Habt ihr Ermittlungen durchgeführt?«
    »Dafür war keine Zeit mehr. Die Weißen marschierten auf die Stadt zu. Wir mussten weg. Zwei Tage später zog die Weiße Armee ein und führte daraufhin eigene Untersuchungen durch, konnte die Romanows aber nicht finden, weder tot noch lebendig. Nachdem die Weißen weitergezogen waren und wir wieder die Kontrolle über die Stadt hatten, war die Spur kalt geworden. Die gesamte Zarenfamilie war einfach verschwunden.«
    »Statt also zuzugeben, dass die Romanows entkommen waren, ließ Lenin die Nachricht verbreiten, sie seien ermordet worden.«
    Anton nickte. »Aber dann fingen die Gerüchte an – überall auf der Welt wollte man sie gesehen haben, vor allem die Kinder. Bei jeder Geschichte, egal, wie unglaubwürdig sie klang, schickten wir einen Agenten hin. Ist dir klar, dass wir sogar jemanden nach Tahiti geschickt haben, weil ein Kapitän jemanden gesehen haben wollte, der aussah wie die Prinzessin Maria? Aber sämtliche Gerüchte stellten sich als falsch heraus. Also warteten wir. Jeden Tag, so glaubten wir, könnten Neuigkeiten eintreffen, wonach die Romanows in China oder in Paris oder London aufgetaucht wären. Es schien nur eine Frage der Zeit. Aber die Jahre vergingen. Immer seltener wurde jemand gesichtet. Es gab keine neuen Gerüchte mehr. Wir glaubten schon, wir würden von den Romanows nichts mehr hören. Doch dann, vor zwei Wochen, wurde ich zum Büro für besondere Operationen bestellt. Man sagte mir, vor kurzem habe sich ein Mann gemeldet, der behauptet, die Leichen der Romanows wären in einen aufgelassenen Bergwerksschacht nicht weit von Swerdlowsk geworfen worden.«
    »Und wo ist dieser Mann?«, fragte Pekkala.
    Der Regen war stärker geworden, heulend strich der Wind über das Dach.
    »In Wodowenko. Einer Einrichtung für geistesgestörte Verbrecher.«
    »Geistesgestörte Verbrecher?«, brummte Pekkala. »Gibt es diesen Bergwerksschacht überhaupt?«
    »Ja. Wir haben ihn ausfindig gemacht.«
    »Und die Leichen? Hat man sie gefunden?«
    »Der Bergwerksschacht wurde sofort versiegelt, als das Büro davon erfuhr. Soweit wir wissen, ist der Tatort unberührt.«
    »Ich verstehe trotzdem nicht, warum man mich dafür braucht«,

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