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Roter Zar

Roter Zar

Titel: Roter Zar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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fest. Während der Woche kochte Pojarski für die Gäste, falls denn welche kamen, und am Sonntag bereitete er ein Essen für meine Eltern und mich zu, wenn wir von der Kirche nach Hause kamen. Und das hier hat er immer für mich gemacht. Er hat es Pojarski-Kotelett genannt und es mit Wodka und Salbei gewürzt. Ich habe mich die ganze Woche darauf gefreut. Dieses Gericht ist der Grund dafür, warum ich Küchenchef werden wollte.«
    »Sie sind zur Kirche gegangen?« Anton hatte seinen Laib hinuntergeschlungen und wischte sich mit dem Taschentuch das Fett von den Fingern. »Nicht unbedingt das beste Zeugnis für einen Kommissar.«
    »In Torjuk ist jeder zur Kirche gegangen«, erwiderte Kirow. »Es gab siebenunddreißig Kirchen in der Stadt.«
    »Damit hat es sich jetzt«, sagte Anton.
    »Halt den Mund und iss«, flüsterte Pekkala.
     
    Später kratzte Pekkala auf allen vieren die Asche aus dem offenen Kamin im vorderen Zimmer. Er hatte die Vorhänge geöffnet. Einzelne Sonnenstrahlen fielen über den verschrammten Holzfußboden.
    Als er sich aufrichtete, um sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen, bemerkte er Majakowski, der sein Haus verließ.
    Majakowski hob einen Pappkarton auf, der auf seiner Türstufe lag, öffnete ihn, lächelte, dann sah er in Richtung Ipatjew-Haus. Schließlich überquerte er mit dem Karton die Straße. Diesmal ging er nicht nach hinten in den Hof, sondern steuerte direkt den Vordereingang an. Die hohlen, dumpfen Schläge des hufeisenförmigen Messingklopfers dröhnten durch das ganze Haus.
    Bevor Pekkala aufstehen konnte, kam Kirow schon aus der Küche und öffnete die Tür.
    »Kirow!«, wurde er von Majakowski begrüßt. »Mein guter Freund Kirow!«
    »Na, guten Tag, Majakowski«, erwiderte Kirow.
    »Ich habe doch immer gewusst, zwischen uns ist etwas ganz Besonderes.«
    »Freut mich zu hören«, sagte Kirow.
    Pekkala hatte sich auf den Knien aufgerichtet und amüsierte sich über Kirows spröden Versuch, sich höflich zu geben.
    »Wir verstehen uns«, fuhr Majakowski fort, »und das werde ich nicht vergessen. Ich danke Ihnen.«
    »Keine Ursache, Majakowski. Ich bin froh, wenn wir gut miteinander auskommen.«
    Die Tür wurde geschlossen. Kirow kam herein und blieb mit verschränkten Armen in der Tür stehen. »Wieder einer, der den Verstand verloren hat. Wie alle in dieser Stadt«, sagte er mit einem belustigten Grinsen.
    »Er hat sich bei Ihnen für das Geschenk bedankt, das Sie ihm vor die Tür gestellt haben.«
    »Ich habe ihm nichts geschenkt«, antwortete Kirow.
    »Nein?« Pekkala sah durchs Fenster. »Aber Sie haben doch gesagt, Sie wollen ihm was schenken. Was ihn aus der Bahn wirft.«
    »Ja, aber ich bin bislang nicht dazu gekommen.«
    Majakowski hatte die Straße zur Hälfte überquert, er blieb stehen und drehte sich mit dem Karton in den Händen noch einmal um.
    Ihre Blicke trafen sich.
    Adrenalin schoss Pekkala durch die Adern. »O Gott!«, flüsterte er.
    Majakowskis Lächeln stockte … und dann war er verschwunden. Dort, wo er eben noch gestanden hatte, sah Pekkala für den Bruchteil einer Sekunde eine rosafarbene Dunstwolke, dann kräuselte sich die Fensterscheibe wie eine Wasseroberfläche, und eine Feuerwand kam aufs Haus zugerollt. Die Druckwelle erfasste Pekkala und schleuderte ihn an die Rückwand. Seine Augen waren voller Staub, metallisch riechender Rauch presste sich in seine Lunge. Er konnte nicht mehr atmen. Er spürte einen scharfen Schmerz in der Brust, um ihn herum prallten Glassplitter von den Wänden und regneten glitzernd zu Boden.
    Als Nächstes bekam er nur mit, wie Kirow ihn an den Füßen packte und aus dem Zimmer schleifte. Die Eingangstür war herausgerissen worden. Trümmerteile lagen auf den Pflastersteinen, ganze Äste waren auf die Straße gekracht, ihre Blätter waren zu schwarzen Fäusten verbrannt.
    Anton war in der Küche.
    Die beiden Männer hoben Pekkala auf den Tisch.
    Pekkala wollte sich aufsetzen, aber Anton drückte ihn nieder.
    Jemand wischte ihm mit einem feuchten Tuch übers Gesicht.
    Anton sagte etwas, aber Pekkala hörte nichts.
    Dann tauchte Kropotkin auf, sein blonder Haarschopf spitzte unter der Polizeimütze heraus.
    Schließlich, wie bei einem Radio, dessen Lautstärke ganz allmählich aufgedreht wurde, verbesserte sich Pekkalas Gehör. Er schob das feuchte und mittlerweile blutdurchtränkte Tuch weg, hievte sich vom Tisch und taumelte durch den Gang in Richtung Straße. Sein Gesicht juckte. Er kratzte sich an den Wangen,

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