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Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall

Titel: Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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schleierhaft. Blumenthal besaß bereits drei Gabin-Sterne. Wer die sein Eigen nannte, für den waren alle weiteren Ehrungen und Pokale bedeutungslos. So jemandem eine Urkunde zu überreichen, das war, als ob man Tiger Woods erneut versicherte, er sei ein prima Golfspieler.
    Am Donnerstagmorgen nahm er den Frühzug nach Paris und ließ sich von der Gare de l’Est im Taxi zum Rungis fahren. Als er gegen sieben Uhr dort ankam, war das wesentliche Marktgeschehen bereits vorbei, vor allem in der Fischhalle, wo kurz nach Mitternacht die ersten Stände öffneten. Da er jedoch nichts kaufen, sondern nur ein paar Informationen einholen wollte, war seine späte Ankunft möglicherweise sogar von Vorteil. Die Händler hatten nun Zeit, sortierten ihre Rechnungen oder tranken Kaffee. Er lotste den Taxifahrer direkt zu der Halle, an deren Außenseite in großen blauen Leuchtbuchstaben »A4« stand – dem Pavillon de la Marée. Er bezahlte den Mann und lief dann durch den Eingang, wo er sich zunächst einen Einwegmantel und eine Haube aus einem Automaten zog. Die Fischhalle war schon immer eine der Größeren auf dem Rungis gewesen, doch als Kieffer sie betrat, stockte ihm der Atem. Er war während seiner Pariser Zeit unzählige Male hier gewesen und er hatte bei seinem Treffen mit Toro gesehen, dass die alte Halle abgerissen und durch eine größere ersetzt worden war. Dennoch brauchte er einen Moment, um die immensen Ausmaße des Neubaus zu erfassen. Sie erschlossen sich ihm erst jetzt, da er die Halle von innen sah. Pavillon war definitiv der falsche Name für dieses Bauwerk – Kathedrale der Gezeiten wäre passender gewesen. Vom Eingangschaute Kieffer in eine hell erleuchtete Markthalle, deren ihm gegenüberliegende Wand einen Viertelkilometer weit entfernt sein musste. Unter dem gleißend hellen Licht Hunderter Natriumdampflampen, die in Längsreihen über ihm an der wohl 15 Meter hohen Decke hingen, befand sich der Carreau, jener Teil der Halle, in dem die Geschäfte abgewickelt wurden. Hier stapelten sich auf einer Fläche von mehreren Fußballfeldern Styroporkartons, Körbe und Plastikeimer. Dazwischen fuhren kleine Gabelstapler hin und her. Hunderte Männer in weißen Kitteln waren dabei, Meerestiere zu sortieren oder Kisten durch die Gegend zu schleppen. Wenn es eines Beweises dafür bedurft hätte, dass Fisch als Nahrungsmittel boomte, dann war es dieses Gebäude, in das man den alten Pavillon de la Marée drei- oder viermal hätte hineinstellen können.
    Kieffer begann, zunächst ziellos durch die Halle zu streifen und versuchte zu verstehen, wie der neue Pavillon aufgebaut war. Er bemerkte, dass viele der Produkte nicht mehr dort waren, wo er sie in seiner Erinnerung verortete. Der Koch fühlte sich ein wenig wie der Stammkunde eines Supermarkts, dessen Regale seit dem letzten Besuch komplett umsortiert worden waren. Er musste mehrere Händler nach dem Weg fragen, bis er die Thunsektion fand. Hier lagen sie, ganze Bluefins, Yellowfins, Bigeyes, Albacores, Bonitos und andere Thunarten. Es gab Filets, Fischhälften und große Plastikeimer mit vorgewürztem Thuncarpaccio – eine freundliche Umschreibung für »Der Rest vom Fest«, denn in dieses rötlichbraune Hack wanderte alles hinein, was nach dem Filetieren der riesigen Fische übrig blieb. Insgesamt sah er acht Thunstände, die sich anden Längsseiten der Halle befanden. Die Ware war vor den kleinen Kontoren gestapelt, sodass die Kunden daran vorbeilaufen und die Fische begutachten konnten. Aufmerksam las Kieffer die Schilder mit den Firmennamen. Einer der Stände gehörte, wie er erwartet hatte, Pombal Foods. Er begutachtete ihn genauer, konnte jedoch keine Besonderheiten feststellen. Er glich den anderen Kontoren, die wiederum ihren Nachbarn zum Verwechseln ähnelten – überall dieselben Styroporkisten, dieselben Metallgestelle zum Aufbocken der Eisboxen. Nur beim Fischangebot gab es Unterschiede. Trebarca Silvas Stand hatte mehrere ganze Yellowfins im Angebot, dazu Bluefinsteaks aller Güteklassen. Mindestens zwei andere Händler boten hingegen überhaupt keinen Blauflossenthun an, sondern spezialisierten sich auf kleinere Thunfischarten wie Skipjack oder Ahi. Kieffer trat einige Schritte zurück und zog eine schwarze Wollmütze aus seiner Manteltasche. Der Pavillon de la Marée schien ihm nicht nur größer als früher, sondern auch deutlich kälter. Nun musterte er die Käufer. Der Hauptansturm war schon vorbei, dennoch tummelten sich in der Thunfischecke

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