Rotkehlchen
Ihr unterstützt sie, habt uns boykottiert,als diese Niggerkommunisten euch darum gebeten haben. Sie werden auf euch hören, verstehst du?«
»Warum kannst du nicht mit der hiesigen Polizei einen solchen Handel machen?«
»Verflucht!« Hochners Faust knallte auf den Tisch, so dass der Aschenbecher hochflog und es anschließend Kippen regnete. »Kapierst du denn überhaupt nichts, du Scheißbulle? Die glauben, ich hätte Niggerjungs auf dem Gewissen.«
Seine Hände umklammerten die Tischplatte und er starrte Harry mit weit aufgerissenen Augen an. Dann fiel sein Gesicht gleichsam zusammen und faltete sich wie ein löchriger Fußball. Er verbarg sein Gesicht in den Händen.
»Die wollen mich doch bloß hängen sehen!«
Ein tiefes Schluchzen war zu hören. Harry beobachtete ihn. Wer konnte wissen, wie viele Stunden sie Hochner mit Verhören wachgehalten hatten, ehe er selbst hierher gekommen war. Er atmete tief ein. Dann beugte er sich über den Tisch, nahm mit der einen Hand das Mikrofon und zog mit der anderen den Stecker heraus.
»Deal, Hochner. Wir haben vielleicht zehn Sekunden. Wer ist Urias?«
Hochner sah ihn durch die Finger an.
»Was?«
»Schnell, Hochner, die werden gleich hier sein!«
»Er … ist ein alter Kerl, sicher über siebzig. Ich habe ihn nur einmal gesehen, bei der Übergabe.«
»Wie sah er aus?«
»Alt, wie gesagt …«
»Irgendwelche Merkmale?«
»Er trug Mantel und Hut. Und es war mitten in der Nacht in einem schlecht beleuchteten Containerhafen. Blaue Augen, glaube ich, mittelgroß …«
»Über was habt ihr gesprochen? Schnell!«
»Zuerst haben wir englisch geredet, sind dann aber zum Deutschen übergegangen, als er bemerkte, dass ich deutsch kann. Ich habe ihm erzählt, dass meine Eltern aus dem Elsass kamen. Er sagte, er sei selbst dort gewesen, in Sennheim.«
»Was hat er für einen Auftrag?«
»Keine Ahnung. Aber das ist ein Amateur, der hat viel geredet, undals er das Gewehr hatte, sagte er, es sei das erste Mal seit über fünfzig Jahren, dass er eine Waffe in den Händen halte. Er sagte, er hasse …« Die Tür des Raumes wurde aufgerissen.
»Hasse was?«, rief Harry.
Im gleichen Augenblick spürte er eine Hand, die sich um seine Kehle legte und zudrückte. Eine Stimme fauchte ihm ins Ohr:
»Was, zum Teufel, tun Sie da?«
Harry hielt Hochners Blick stand, während sie ihn rücklings zur Tür zerrten. Hochvers Blick war glasig geworden und sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. Harry konnte sehen, dass sich seine Lippen bewegten, doch er konnte ihn nicht verstehen.
Dann fiel die Tür ins Schloss.
Harry rieb sich den Nacken, während Esaias ihn zum Flughafen fuhr. Sie saßen bereits zwanzig Minuten im Auto, ehe Esaias etwas sagte.
»Wir sind seit sechs Jahren an dieser Sache dran. Die Liste dieses Waffenschiebers umfasst zwanzig Länder. Wir haben uns immer vor dem gefürchtet, was heute geschehen ist – dass jemand mit diplomatischer Hilfe lockt, um irgendwelche Informationen zu bekommen.«
Harry zuckte mit den Schultern.
»Und wenn schon? Ihr habt ihn gefasst und eure Sache gut gemacht, Esaias, jetzt müsst ihr euch nur noch die Auszeichnung abholen. Welche Absprachen dann getroffen werden wegen Hochner und der Regierung, ist doch nicht mehr eure Sache.«
»Du bist Polizist, Harry, du weißt, wie es ist, wenn Verbrecher frei abziehen können, Leute, die nicht einmal mit der Wimper zucken, wenn sie jemanden umbringen, und von denen du genau weißt, dass sie, kaum dass sie wieder auf der Straße sind, da weitermachen, wo sie aufgehalten worden sind.«
Harry antwortete nicht.
»Du weißt das doch? Ja? Gut, denn dann habe ich einen Vorschlag. Es hörte sich an, als hättest du von Hochner bekommen, was du wolltest. Das heißt, es liegt jetzt an dir, ob du den Deal einhältst oder nicht. Understand – izzit?«
»Ich mach nur meinen Job, Esaias, und ich kann Hochner später als Zeugen gebrauchen. Tut mir Leid.«
Esaias schlug so hart auf das Lenkrad, dass Harry zusammenzuckte.
»Lass mich dir etwas erzählen, Harry. Vor der Wahl 1994, als wir noch eine weiße Minderheitsregierung hatten, hat Hochner zwei schwarze Mädchen erschossen, beide elf Jahre alt. Er stand in einer schwarzen Township namens Alexandria auf einem Wasserturm und hat auf den Schulhof geschossen. Wir glauben, dass irgendwelche Leute von der Afrikaner Volkswag, der Apartheidspartei, dahinter standen. Die Schule leistete Widerstand, denn sie hatte drei weiße Schüler. Er verwendete
Weitere Kostenlose Bücher