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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Schönheit, aber auch nicht schlimmer als die anderen aus den Nähten geplatzten Kleinstädte Norwegens. Er überlegte,noch einen Kaffee im Restaurant Borsen zu trinken, doch die Uhr sagte ihm, dass dafür nicht genug Zeit war.
    Edvard Mosken wohnte in einem roten Holzhaus mit Aussicht auf die Trabrennbahn Ein älterer Mercedes-Geländewagen parkte vor der Garage. Mosken selbst stand in der Tür. Er betrachtete Harrys Ausweis lange, ehe er sagte:
    »1965 geboren? Sie sehen aber älter aus, Herr Hole?«
    »Schlechte Gene.«
    »Schlecht für Sie.«
    »Tja, mit vierzehn hat man mich schon in Filme gelassen, die nur für Erwachsene waren.«
    Es war unmöglich zu erkennen, ob Edvard Mosken für Humor empfänglich war. Er gab Harry ein Zeichen hereinzukommen.
    »Sie wohnen allein?«, fragte Harry, während Mosken ihn ins Wohnzimmer führte. Die Wohnung war sauber und ordentlich, doch nur mit wenigen persönlichen Dingen ausgestattet. Es war diese Art übertriebene Sauberkeit, die manche Männer anstreben, wenn sie allein bestimmen können. Es erinnerte Harry an seine eigene Wohnung.
    »Ja. Meine Frau hat mich nach dem Krieg verlassen.« »Verlassen?«
    »Aus dem Staub gemacht, abgehauen, weg!«
    »Ich verstehe. Kinder?«
    »Ich hatte einen Sohn.«
    »Hatte?«
    Edvard Mosken blieb stehen und drehte sich um.
    »Drücke ich mich unklar aus, Herr Hole?«
    Die eine weiße Augenbraue war angehoben und zeichnete einen scharfen Winkel auf die hohe, klare Stirn.
    »Mein Fehler«, sagte Harry, »ich bin manchmal schwer von Begriff.«
    »Okay. Ich habe einen Sohn.«
    »Danke. Was haben Sie vor Ihrer Rente gemacht?«
    »Ich hatte ein paar Lastwagen. Mosken-Transport. Hab die Firma vor sieben Jahren verkauft.«
    »Lief sie gut?«
    »Ging so. Die Käufer haben den Namen beibehalten.«
    Sie setzten sich gegenüber an den Wohnzimmertisch. Harry verstand,dass von Kaffee nicht die Rede war. Edvard saß vorgebeugt, die Hände über Kreuz auf dem Schoß, als wollte er sagen: Lassen Sie uns das hinter uns bringen.
    »Wo waren Sie in der Nacht vom 22. Dezember?«
    Harry hatte sich unterwegs entschlossen, mit dieser Frage zu beginnen. Indem er seine einzige Karte ausspielte, ehe Mosken die Möglichkeit hatte, das Terrain zu sondieren und festzustellen, dass sie nichts in der Hand hatten, konnte er allenfalls darauf hoffen, eine Reaktion hervorzurufen, die ihm etwas sagen konnte: ob Mosken vielleicht etwas zu verbergen hatte.
    »Werde ich wegen irgendetwas verdächtigt?«, fragte Mosken. Sein Gesicht verriet nicht mehr als leichte Verwunderung.
    »Es wäre schön, wenn Sie einfach nur auf die Frage antworten würden, Herr Mosken.«
    »Wie Sie wollen. Ich war hier.«
    »Das kam aber schnell.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie mussten nicht gerade lange nachdenken.«
    Mosken schnitt eine Grimasse. Sein Mund zeichnete die Parodie eines Grinsens, während seine Augen Harry einfach resigniert ansahen.
    »Wenn Sie mal so alt sind wie ich, werden Sie sich an die Abende erinnern, an denen Sie nicht alleine zu Hause gesessen haben.«
    »Sindre Fauke hat mir eine Liste der Norweger gegeben, die im Trainingslager in Sennheim waren. Gudbrand Johansen, Hallgrim Dale, Sie und Fauke selbst.«
    »Sie haben Daniel Gudeson vergessen.«
    »Hab ich das? Ist er nicht im Krieg gefallen?«
    »Doch.«
    »Warum erwähnen Sie ihn dann?«
    »Weil er mit uns zusammen in Sennheim war.«
    »Wenn ich Fauke richtig verstanden habe, waren weit mehr Norweger in Sennlieim, aber nur Sie vier haben letztlich den Krieg überlebt.«
    »Das ist richtig.«
    »Warum erwähnen Sie dann ausgerechnet Gudeson?«
    Edvard Mosken starrte Harry an. Dann schweifte sein Blick ab. »Weil er so lange dabei war. Wir dachten, er würde überleben. Ja,wir glaubten, Daniel Gudeson sei unsterblich. Er war kein gewöhnlicher Mann.«
    »Wussten Sie, dass Hallgrim Dale tot ist?«
    Mosken schüttelte den Kopf.
    »Sie wirken nicht sonderlich überrascht.«
    »Warum sollte ich überrascht sein? Inzwischen bin ich mehr überrascht, wenn ich höre, dass noch jemand von denen lebt.« »Und wenn ich Ihnen sage, dass er ermordet wurde?«
    »Tja, das ist natürlich etwas anderes. Warum erzählen Sie mir das?«
    »Was wissen Sie über Hallgrim Dale?«
    »Nichts. Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe, war bei Leningrad. Da hatte er einen Granatenschock.«
    »Sind Sie nicht gemeinsam zurückgereist?«
    »Wie Dale und die anderen nach Hause gekommen sind, weiß ich nicht. Ich selbst wurde im Winter 1944 von einer

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