Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)
trägt keine Hells-Angels-Kutte, sondern ein schwarzes Hemd, darüber einen Militäranorak. Auf dem kahlen Schädel hat er eine United-States-Troopers-Kappe. Er geht direkt auf mich zu. Seine gewaltige Pranke greift nach meiner Hand. Es ist ein kurzer Händedruck, dann bedeutet er mir, ihm zu folgen, in den ersten Stock. Hanebuth läuft vor mir die Treppe hoch, er schwankt wie ein Schlachtschiff. Er ist wahnsinnig breit und groß. Ein echter Kaltblüter.
Die Wohnung über dem arabischen Restaurant steht leer. Die Tür ist nicht abgeschlossen, wahrscheinlich hat der Wirt vor ein paar Minuten aufgeschlossen. Hanebuth ist kein Mann, den man vor verschlossenen Türen warten lässt, zumindest nicht im Steintorviertel. Die Wände in der Wohnung sind kahl, in den Räumen stehen keine Möbel, auf dem Boden sehe ich am Ende des Flurs einen dunklen Fleck.
Ist das Blut?
In den Türstock hat jemand vier Buchstaben geritzt: »AFFA« – »Angels Forever, Forever Angels«. Nur im größten Zimmer befindet sich ein langer Tisch mit sieben Stühlen. Offenbar so etwas wie das Konferenzzimmer der Hells Angels. Hanebuth nimmt am Kopf des Tisches Platz. Ich lasse einen Stuhl frei und setze mich wieder mit Blick auf die Tür. Was nicht viel bringt: Wenn jetzt ein paar seiner Männer die Wohnung stürmen würden, hätte ich keine Chance zu fliehen. Ich muss Hanebuth vertrauen, er gilt auch als Mann, der seine Versprechen hält.
Nach ein bisschen Vorgeplänkel beginne ich mit dem geschäftlichen Teil. »Ich habe in meinem Hamburger Club eine Partnerschaft mit Rot-Weiß. Wir hatten in den letzten Monaten aber unterschiedliche Auffassungen darüber, wie der Club zu führen ist«, sage ich.
Hanebuth ist wohlinformiert. Er nennt den Namen »Tropicana«, gibt sich kooperativ, sagt, dass sich die Differenzen um den Laden leicht aus dem Weg räumen lassen. Der Chef der Hells Angels mustert mich durchdringend. Sein Blick scheint lesen zu können, was hinter meiner Stirn vorgeht. Er würde jede Lüge erkennen, jede Unsicherheit sofort wittern. Gleichzeitig lassen seine Augen, seine Mimik nicht erkennen, was er denkt.
»Was ist mit Musa?«, fragt er mich.
Ich sage: »Musa fühlt sich hintergangen. Seine ehemaligen Partner verdienen viel Geld mit seinen Bordellen. Er will daran beteiligt werden.«
Hanebuth nickt. Er streicht mit der rechten Hand über seinen Mongolenbart. »Wir würden keinem Mann etwas vorenthalten, was ihm zusteht.« Es gäbe nur unterschiedliche Ansichten darüber, ob die Forderungen berechtigt sind.
»Wir wollen ein Treffen. Mit den Albanern und den Hells Angels. Wir wollen verhandeln«, fahre ich fort.
Hanebuth antwortet, dass sich die Hells Angels einem Gespräch nicht verweigern würden. Er schlägt daher ein Gespräch auf neutralem Boden vor, in einem Club in Bremen. Um die Mittagszeit, 14 Uhr. Er will das mit allen Beteiligten klären und dann Bescheid geben, an welchem Tag das Treffen stattfinden soll. So lange, das ist die unausgesprochene Bedingung, muss Ruhe herrschen.
Es ist alles gesagt, wir schütteln uns die Hände.
Ich atme tief durch, als ich das Steintorviertel verlassen habe.
Als ich Türken-Musa von meinem Treffen mit Hanebuth erzähle, sehe ich keine Begeisterung in seinem Gesicht. Er reagiert überhaupt nicht darauf, dass seine Feinde bereit sind zu verhandeln.
Ich sage zu ihm: »Musa, was ist los? Genau das wolltest du doch! Die wollen dich treffen, sie werden dir ein Angebot machen.«
»Ja, wir werden sehen«, erwidert Musa. Das ist alles, was ich von ihm zu der Sache höre.
In diesem Moment glaube ich verstanden zu haben, wie Musa tickt. Er will Krieg. Er will sein Geld nicht durch Verhandlungen bekommen. Er will es sich aus den Händen seiner toten Feinde holen. Kein Deal. Sein Stolz ist gekränkt. Er will Rache.
Ein paar Tage später lässt mir Frank Hanebuth ausrichten, dass sich unsere Abmachung ja dann wohl erledigt hätte und er davon ausginge, dass auch auf unserer Seite kein Bedarf mehr an einem Treffen bestünde. Die Nachricht kommt nicht unerwartet, denn am Tag zuvor wurde in Hamburg scharf geschossen, an der Tankstelle am Hammer Deich.
Eskalation
»Es waren Szenen wie aus einem Gangsterfilm: Am späten Samstagabend kam es auf der Hamburger Rotlichtmeile Süderstraße an einer Tankstelle zu einem Schusswechsel. Der polizeibekannte Kickboxer Ismail Ö. wurde von mehreren maskierten Männern attackiert. Zuerst gab es nur Schläge, dann fielen Schüsse – die den 28-Jährigen
Weitere Kostenlose Bücher