Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)
ich Musas Partner bin, spüre ich ganz Hamburg in meinem Nacken. Die Stadt will mich umbringen. Ich fühle mich von Feinden umgeben.
Ich achte auf die Autos im Rückspiegel, merke mir, wer länger hinter mir herfährt. Verabredungen treffe ich nur noch kurzfristig, wechsele regelmäßig mein Auto.
Ich weiß nicht, was meine Feinde planen. Nur eines weiß ich: Die Hells Angels haben einmal versucht, mich zu töten. Sie werden es wieder tun.
Ich schlafe meist im Hotel, immer nur ein paar Stunden. Wenn ich in meine Wohnung gehe, lasse ich das Licht aus. Dann lege ich mich auch nicht in mein Bett, sondern auf die Couch. Wenn das Rollkommando kommt, wird es ganz schnell gehen: Sie treten die Tür ein, laufen ins Schlafzimmer, ballern aufs Bett. Sie werden versuchen, es so zu machen, dass ich gar nicht mehr aufwache. Aber mein Bett wird leer sein. Und wenn es so läuft, wie ich es geplant habe, werde ich dann hinter ihnen stehen.
Wer nicht schlafen darf, braucht Kokain. Ich bin daher die meiste Zeit drauf. Das Koks kaufe ich bei Pasha. Er hat ein Internetcafé in St. Georg, dem Hamburger Bahnhofsviertel.
Ich parke meinen Landrover zwei Straßen von Pashas Laden entfernt, in einer Wohnstraße, in der es nur einen Bäcker gibt, der jetzt, am Nachmittag, schon geschlossen ist. Damit keiner meinen Wagen zufällig erkennt und sich zusammenreimen kann, wo ich bin.
Ich gehe ein paar Hundert Meter durch St. Georg. Die »Lange Reihe« entlang, hier hat sich das Viertel herausgeputzt. Schicke Cafés, Boutiquen, Schwulenbars. Die Preise für Wohnungen ziehen ordentlich an. Aber es gibt immer noch den Steindamm, den Hansaplatz und die Seitenstraßen, wo alles beim Alten ist. Mit Pornokinos, Straßenstrich, Alkis, Junkies. Nur den Kinderstrich gibt es nicht mehr. Die Ausreißer-Mädchen hängen jetzt im Hauptbahnhof vor McDonald’s rum. Mit den Freiern verabreden sie sich mittlerweile per SMS.
Unnötig zu sagen, dass Pashas Internetcafé zum alten St. Georg gehört.
Als ich Pashas Laden betrete, stelle ich mit Freude fest, dass keine Kunden da sind. Die Türen der Kabinen mit den Telefonen und Bildschirmen stehen alle offen. In den Kabinen befinden sich Taschentuch-Spender. Falls die Kundschaft zu den Internetpornos wichsen möchte.
Pasha ist Pakistani. Er thront hinter seinem Tresen, hinter seiner Kasse. Ein kleiner Mann, dürr, vor sich eine Dose Red Bull. Es riecht nach kaltem Zigarettenrauch, der sich mit dem Plastikgestank der warmen Bildschirme mischt. Ich bekomme sofort Kopfschmerzen.
»Gianni, wie geht’s?«, fragt Pasha zur Begrüßung und grinst verlogen.
Er weiß natürlich genau, wie es mir geht, denn meine Probleme haben sich gewiss bis zu ihm herumgesprochen.
Nicht provozieren lassen!
»Passt schon. Ich habe ein paar Konflikte mit Geschäftspartnern. Nicht der Rede wert …«
Ein Typ kommt herein, Pasha nickt ihm zu, es ist ein unverbindliches Nicken, scheint ein Stammkunde zu sein. Ich registriere den Typen nur aus den Augenwinkeln, habe ihn noch nie gesehen, er ist groß, schlank, dunkler Teint, zurückgegelte Haare. Vielleicht ein Portugiese. Der Typ verdrückt sich in eine der Telefonkabinen.
»Läuft der Club?«, fragt Pasha, die scheinheilige Ratte, weiter.
»Wird bald noch besser. Musa kommt zurück nach Hamburg, vielleicht machen wir was zusammen.«
»Soso, der Musa, na, der kann sicher helfen.« Pashas Stimme wirkt plötzlich kalt, sein Lächeln wird schief. Den Namen Musa hört er wohl nicht gern, das hellt meine Stimmung wieder auf.
Das Gelaber zieht sich in die Länge. Ich mache mit, obwohl ich eigentlich keine Zeit zu verlieren habe. Ich bleibe ungern länger an einem Ort. Ich lausche den Autos, die draußen vorbeifahren, spiele durch, was passieren könnte, wenn eines anhält, die Tür auffliegt …
Mein Gefühl sagt mir, dass ich abhauen sollte, aber ich bleibe sitzen. Die Kopfschmerzen stecken zwischen Schläfe und Stirn. Ich müsste dringend pennen. Und ich bin gierig auf den Stoff.
Endlich holt Pasha seinen Geldbeutel heraus. Zwischen den Scheinen zieht er ein Briefchen hervor. Schön sauber gefaltet, weißes Papier. Er öffnet es, das Koks rieselt auf den Schreibtisch. Draußen hupen zwei Autos.
Pasha zieht dann eine Show ab. Er hackt mit einer EC-Karte der Hamburger Sparkasse auf dem Häufchen Koks herum, zieht eine schöne lange Linie, teilt sie in der Mitte. Aber dann schiebt er das Koks wieder zusammen, hackt wieder darauf herum. Dann teilt der das Häufchen erneut. Was macht
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