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Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)

Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)

Titel: Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianni Sander , Marc-André Rüssau
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Angehörige einer albanischen Großfamilie.«
    Einigen Anhängern von Musa könnte der Mordanschlag neue Hoffnung gegeben haben. Vielleicht ist Musa wirklich mächtig genug, um auch aus dem Knast heraus zu agieren.

    Prozess im Hamburger Strafjustizgebäude. Großer Journalisten-Auflauf vor der Tür von Saal 297. Der Staatsanwalt trägt die Ermittlungsergebnisse seiner Behörde vor. Im »Tropicana« habe Frauenmangel geherrscht, deswegen soll Musa eine Freundin von Barbie überredet haben, die Minderjährige mit in das Bordell zu bringen. Musa soll sie persönlich im Betrieb herumgeführt haben. Und ihr erklärt haben, dass sie bei einer Polizeikontrolle falsche Daten angeben solle. In jedem Fall solle sie leugnen, dass Musa sie angeworben habe.
    Das Gericht verliest als Nächstes Musas Vorstrafenliste mit 14 Einträgen: schwerer Raub, Diebstahl, Körperverletzung, Nötigung, Freiheitsberaubung. Ein Raunen geht durch den Raum.
Die Hauptzeugin der Staatsanwaltschaft ist auch ganz nach dem Geschmack der Journalisten. Blondierte Haare, enge weiße Jeans, hochhackige Schuhe. Mittlerweile ist Barbie 17, die meisten ahnen wohl, was sie in einem Jahr beruflich vorhat. Die Fotografen kommen in jedem Fall auf ihre Kosten.
    Aber viel mehr passiert nicht. Ihr Anwalt erklärt: »Eventuell könnten Aussagenunterschiede bei der Polizei und vor Gericht zu einer Strafverfolgung führen.« Sie verweigert die Aussage, um sich nicht selbst zu belasten. So ist es nun einmal Brauch, wenn ein Gericht etwas von Leuten aus dem Milieu wissen will.
    Aus dieser Selbstverständlichkeit konstruiert die Presse jedoch, dass die Aussage von Barbie bei der Polizei wohl falsch gewesen sein muss. Da Barbie nicht in Schwierigkeiten kommen will, verweigert sie nun lieber die Aussage, damit nicht herauskommt, dass sie gelogen und damit Musa in den Knast gebracht hat. Die Polizei will außerdem aus der Telefonüberwachung Hinweise darauf haben, dass ich Barbie beeinflusst haben könnte, damit sie gegen Musa aussagt.
    Eine Steilvorlage für Türken-Musa. Im Zeugenstand stellt er sich als armes, krankes Opfer dar.
    »Was machen Sie beruflich?«, fragt die Richterin.
    »Ich bin behindert«, antwortet Türken-Musa. »Mir wurden mehrere Organe entfernt, ich habe keine Bauchdecke mehr, weil eine Kugel meine Wirbelsäule getroffen hat, bin ich gehbehindert. Ich habe rund um die Uhr Schmerzen.«
    »Wovon haben Sie denn in der Türkei gelebt?«, will die Richterin wissen.
    »Meine Familie sind Olivenbauern und Pferdezüchter.«
    »Und in Deutschland?«
    »Ich habe Geld mitgebracht, von meinem Vater.«
    Die ganze Sache mit Barbie sei nur eine Intrige, um ihn in den Knast zu bringen. »Ich hatte mit Gianni Streit. Deshalb versucht er, mir jetzt die Sache anzuhängen.«
    Das ist Quatsch. Aber noch heute wird mir von einigen in Hamburg vorgeworfen, dass ich Musa in den Knast gebracht hätte. Eine Lüge.
    Diese Lüge kann ich vor Gericht natürlich nicht entkräften. Denn als ich als Zeuge in den Saal 297 gerufen werde, spricht mein Anwalt für mich: »Mein Mandant möchte die Aussage verweigern. Er befürchtet, sich selbst zu belasten.«
    Musa quittiert das mit einem zufriedenen Lächeln. Für alle sieht es jetzt so aus, als wolle ich vor Gericht nicht aussagen, weil ich sonst zugeben müsste, Barbie zu einer Falschaussage angestiftet zu haben. Dabei sage ich nicht aus, weil es sich nicht gehört. Punkt. Niemand aus dem Milieu redet vor Gericht. Deswegen sind die meisten Rotlichtprozesse auch eine Farce.
    Die Richterin nimmt das gelassen. Offenbar hat sie damit gerechnet. Und die Staatsanwaltschaft lässt daraufhin den Vorwurf des Menschenhandels und der Förderung sexueller Handlungen von Minderjährigen fallen. Egal, der Richterin reicht die gefundene Waffe. Für die kriegt Musa zwei Jahre wegen Verstoß gegen das Waffengesetz. Nachdem er das abgesessen hat, wird er in die Türkei abgeschoben.
    Vor einem Jahr hat Musa der Hamburger Morgenpost ein Interview gegeben. Angeblich lebt er jetzt in Izmir, soll sich dort vom Knast gut erholt haben. Sein Bauchschuss ist mittlerweile verheilt. Musa: »Alle, von denen ich Geld bekomme, haben mich wegen der Verletzung nicht mehr für voll genommen … Aber jetzt soll mir mal einer ins Gesicht sagen, dass ich ein kranker Mann bin, dann …«
    In dem Interview kündigt Musa auch an, wieder nach Hamburg zurückkommen zu wollen. Ich weiß nicht, ob ich daran glauben soll. Viele im Hamburger Milieu tun es jedenfalls

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