Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)
arbeiten, ohne mit den Ghostrider’s in Kontakt zu treten.
Die Situation änderte sich, als sich 1999 die Bones den Hells Angels anschlossen. Die Bones galten als mächtigster Motorradclub in Deutschland. Sie hatten deutschlandweit 21 Chapter, die Hells Angels hatten bis auf ihren internationalen Ruf nichts aufzubieten – gerade mal sechs Charter hatten sie in Deutschland. Jetzt waren die Hells Angels plötzlich ein ernst zu nehmender Spieler im Milieu, vor allem weil sie aggressiv expandierten und viele der kleineren Clubs schluckten. Sie konnten auf Männer und Know-how aus dem Ausland zurückgreifen. Außerdem hatten sie einen international geachteten Markennamen, »Hells Angel« wollte sich jeder gerne nennen, der die eigene Schwäche durch mächtige Verbündete wettmachen wollte. Im Gegensatz zu den piefigen deutschen Clubs klang »Hells Angels« nach Freiheit und Abenteuer, eine ganz andere Liga. Eine Subkultur, die in Büchern und Hollywood-Filmen dargestellt wurde. Rücksichtslose Taten der Höllenengel, und wenn sie in kleinen Ortschaften weit weg in den USA stattgefunden hatten, sorgten auch in Deutschland für den gefährlichen Ruf der Hells Angels. Da war es egal, dass die Amerikaner die deutschen Rocker nie besonders ernst nahmen. Im deutschen Milieu galt plötzlich: Mit den Hells Angels legt man sich besser nicht an, mit denen macht man lieber gemeinsame Sache.
Die Gelben Ghostrider’s taten in dieser Situation das einzig Richtige: Um nicht irgendwann von den Hells Angels in die Bedeutungslosigkeit verdrängt zu werden, schlossen sie sich ein Jahr später den Bandidos an. Auch die Bandidos sind ein internationaler Club, wie die Hells Angels stammen sie aus den USA. Seit der Gründung 1966 expandierten sie massiv, seit 1989 auch in Europa. Damit kamen sie immer wieder den Hells Angels ins Gehege, weltweit kämpften beide Clubs gegeneinander um Einfluss.
Anfang der 90er-Jahre eskalierte der Konflikt in Skandinavien. Der skandinavische Rockerkrieg dauerte von 1994 bis 1997, er tobte in Dänemark, Finnland, Oslo und Schweden. Er begann mit einer Schießerei zwischen Hells Angels und Bandidos in Helsingborg, Südschweden. Ein Hells Angel wurde dabei erschossen. Danach folgte Racheaktion auf Racheaktion, drei Jahre lang. Clubhäuser wurden mit Panzerabwehrraketen beschossen, Autobomben explodierten, Raketenwerfer wurden eingesetzt. Erst dann beschlossen die Rockerchefs einen Waffenstillstand. Das dänische Fernsehen übertrug damals, wie der Hells-Angels-Präsident dem Bandidos-Chef die Hand schüttelte.
Bilanz des skandinavischen Rockerkriegs: 96 Verletzte, elf Ermordete, 74 versuchte Morde.
Und nur zwei Jahre nach dem Friedensschluss in Skandinavien stehen sich nach dem Patchover von Bones und Ghostrider’s plötzlich in Deutschland die beiden verfeindeten Clubs Hells Angels und Bandidos in ähnlicher Mannschaftsstärke gegenüber.
Gefährlichstes Pflaster in dieser angespannten Situation ist Nordrhein-Westfalen. Das Ruhrgebiet ist fest in der Hand der Bandidos, die durch die Übernahme der in der Region starken Ghostrider’s einen kaum aufzuholenden Startvorteil haben. Das Rheinland gehört den Hells Angels.
Das folgende Jahrzehnt nutzen beide Clubs zur Expansion in Nordrhein-Westfalen. Die Zahl der Chapter verdoppelt sich allein von 2005 bis 2012. Die Hells Angels kommen nun auf neun Charter mit 250 Mitgliedern, die Bandidos auf 25 Chapter mit 400 Mitgliedern.
In Ratingen, wo ich mich niederlasse, stoßen die beiden Einflussgebiete aneinander. Dass es hier bald knallen wird, ist im Milieu ausgemachte Sache. Ich suche mir diesen Ort natürlich nicht aus, weil ich Stress will. Eigentlich will ich nach Hamburg zumindest einige Jahre in Frieden leben. Ich habe genug von rivalisierenden Gruppen. Denn genau die waren es, die mir das Geschäft in Hamburg verdorben haben.
Aber Ratingen ist nun einmal meine Heimat. Was kann ich dafür, dass sich die Rockerclubs ausgerechnet diesen Ort für den nächsten großen Krieg ausgesucht haben?
Es dauert nicht lange, bis es zur ersten Auseinandersetzung mit den Höllenengeln kommt. Mein Auftauchen wird von denen nach den Regeln des Milieus gedeutet. Da kommt einer, der wieder einsteigen will. Der war für die Brüder in Hamburg eine ziemlich harte Nuss. In Nordrhein-Westfalen kennt der noch eine Menge Leute von früher. Und wenn es zum großen Knall kommt, wird er sicher nicht auf unserer Seite stehen.
Als ich wenig später durch meine Heimatstadt gehe,
Weitere Kostenlose Bücher