Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)
im Jahr 1972 in Mannheim, blieb dann auch 20 Jahre lang hauptsächlich im Südwesten aktiv. Als die Expansion von Hells Angels und Bandidos losging, expandierte auch Gremium, zunächst hauptsächlich nach Ostdeutschland, dann in ganz Deutschland. Mittlerweile gehören mehr als 100 Chapter zum Club – und zwar nicht mehr nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Selbst in Venezuela und in Thailand ist Gremium aktiv.
Wenn Gremium vorhat, ein türkisches Chapter entstehen zu lassen, ein Chapter für Deutsche und Migranten, dann kann das also durchaus eine gute Sache sein.
Aber mich stört an dem Ganzen auch, dass Moussa A. mich in den Club bringen will. Warum tut er das? Nur, um besser beim Präsidenten dazustehen? Schau mal, das ist Gianni, das ist mein Mann. Dann wäre ich als Wasserträger von Moussa im Club. Ich komme aber sicher nicht als der Läufer von einem Moussa, als Helfershelfer. Ich gehe nur rein, wenn ich auf gleicher Augenhöhe bin wie die anderen.
Also mache ich einen Termin mit Selem aus, dem Präsidenten des neuen Clubs, den ich vom Sehen her kenne. Er ist anders als die Familie A., wir scheinen auf einer Wellenlänge zu liegen. Er ist auch im Milieu tätig. Nach kurzer Probezeit werde ich aufgenommen.
Die Chapter des Gremium Bosporus sind ähnlich organisiert wie fast alle Rockerclubs weltweit. An der Spitze steht der Präsident, nach ihm kommt der Vizepräsident. Über den normalen Mitgliedern stehen in der Clubhierachie dann noch die Funktionsträger. Der »Sergeant at Arms«, der Waffenmeister des Clubs. Der »Road Captain«, der die Ausfahrten organisiert. Der »Treasurer«, der Schatzmeister. Und der »Secretary«, der den Club verwaltet, das Amt, das ich ausfülle. Da der Club eine Neugründung ist, entfällt der sonst lange Weg durch die Hierarchie, bei dem es sonst Jahre dauern kann, bis man überhaupt Vollmitglied wird.
Staatsmacht
»Wenn es ernst wird, machen die Rocker nicht viele Worte: ›Mit dem heutigen Datum‹, teilen sie am späten Mittwochabend auf einer einschlägigen Internetseite mit, hätten sich die Hells Angels Hannover ›aufgelöst‹. (…) Die Ermittler rechneten jedoch nicht damit, dass die vielfach im Rotlichtgewerbe aktiven Angels nun ›umschulten‹. ›Für uns ist letztlich egal, ob auf deren Jacken A oder B oder gar nichts steht, wir behalten sie im Auge‹, so der Polizist. Zumal die Rocker durch ihren Sprecher Django selbst ankündigen: ›Ich bleibe Hells Angel, wie alle anderen auch. Dafür brauchen wir kein Abzeichen, keinen Charter.‹«
Spiegel Online , 28.6.2012, »Die Höllenengel ducken sich weg«
Die Motorradclubs können eine gewisse Kontinuität in der Arbeit im Milieu garantieren. Es bleibt nun einmal nicht aus, dass bei einer Gruppe, die im Milieu aktiv ist, das eine oder andere Mitglied Ärger mit der Polizei bekommt. Irgendwann trifft es auch mal den Chef. Die Banden, bei denen der Anführer in den Knast wandert, lösen sich dann meist schnell auf. In Hamburg war das beispielsweise so, als Türken-Musa abgeschoben wurde. Seine Gangster GmbH verlor auf einen Schlag den Einfluss, zersplitterte, und die Mitglieder schlossen sich anderen Banden an.
Als Musa weg war, fehlte ihnen das verbindende Element, der starke Mann, der alles zusammenhielt. Meist sind die Hierarchien in Milieu-Gruppen nur informell festgelegt. Wenn der Chef weg ist, bleibt daher unklar, wer seinen Platz künftig einnehmen wird.
Bei einem Motorradclub ist das dagegen anders. Noch wichtiger als der Präsident ist die Zugehörigkeit zum Club. Die Loyalität gilt nur in zweiter Linie dem Präsidenten, in erster Linie sind es die Statuten des Clubs, denen sich die Mitglieder unterwerfen.
Wenn der Chef eines Chapters ins Gefängnis geht, bleiben die anderen Hells Angels, Bandidos oder Anhänger von Gremium. Der Vizepräsident rückt auf. Wenn es dadurch zu Unruhe im Chapter kommt, können Clubs aus anderen Städten unterstützend eingreifen.
Die Rockerclubs sind wie die Hydra aus der griechischen Mythologie. Wenn ihr ein Kopf abgeschlagen wird, wachsen sofort zwei neue Köpfe nach.
Das Jahr 2012 wird in die Geschichte eingehen als das Jahr der gescheiterten Versuche der Staatsmacht, die Rockerclubs in den Griff zu bekommen. Die Bilanz des Jahres: Hells Angels Kiel werden verboten, die Hells Angels in Köln mit dem Supporterclub Red Devils, die Hells Angels Berlin City sowie die Bandidos Aachen mit den Supporterclubs Chicanos Aachen, Alsdorf, Düren, dem X-Team Aachen und
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