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Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Signe Danielsson , Roman Voosen
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verstanden hat und das wohl irgendwie witzig fand.«
    »Das sollte einem Lehrer nicht passieren.«
    »Nein, das sollte es nicht.«
    »Und dann?«
    Der Junge atmete laut aus.
    »Es war so erniedrigend. Es fühlte sich so scheiße an. Ich meine, es reichte ja schon, wenn die Ärsche aus der Klasse ... Aber ein Lehrer? Dann habe ich es halt getan.«
    Der Satz stand im Raum, ausgesprochen von seiner leisen, hellen Stimme.
    »Du hast Janus Dahlin getötet?«
    Zum zweiten Mal sah der Junge auf. Entgeistert starrte er sie an. Einer der Pickel auf seiner Wange blutete.
    »Um Gottes willen, nein! Ich habe diese peinliche Zeichnung in die Türe vom Schulklo geritzt.«
    »Was für eine Zeichnung?«
    »Na, die von Dahlin, wie er ein Knie in die Fresse kriegt.
    Kill Dahlin, with a kick of a knee in the face.
    Das habe ich daruntergeschrieben. Die anderen haben sich totgelacht, als sie es gesehen haben, Fotos mit ihren Handys gemacht und gleich rumgeschickt. Da stand ich erst recht wie ein Idiot da.«
    »Warum?«
    »Es war gar nicht so einfach, mit einem normalen Schlüssel in den Lack der Tür zu ritzen. Das Knie ist mir etwas missraten. Eigentlich ziemlich. Es sieht halt eher aus wie ein ...«
    Das letzte Wort sprach er so leise aus, dass Nyström es nicht verstand.
    »Bitte?«, fragte sie.
    »Wie ein Pimmel«, flüsterte er.
    »Oh«, sagte sie.
    »Ja«, sagte er und es sah tatsächlich aus, als spräche er mit seinem Knie. »Und jetzt rate mal, wie ich seitdem genannt werde.«
    »Oh«, sagte Nyström noch einmal. Dann stand sie auf, umrundete den Tisch und legte dem Jungen einen Arm um die Schulter.
    Die Uhr an der Wand zeigte zwanzig Minuten nach neun.
    18
    Zeuner war spät aufgebrochen und die Nacht durchgefahren. Als er die mächtige Brücke zwischen Dänemark und Schweden überquerte, stand die Sonne bereits über dem Meer und brachte den Sund zum Glühen. In dem Moment, in dem die Straße anhob und eine leichte Kurve machte, sah es für einen Augenblick so aus, als fahre er direkt in die Sonne hinein. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er sich auf eine unbestimmte Weise gut. Er fühlte sich erhaben, denn er hatte endlich wieder einen Auftrag. Der Klassiksender spielte etwas Theatralisches, vielleicht Sibelius. Er drehte lauter und spürte nicht einen Funken Müdigkeit in seinem trockenen, alten Körper.
    Wenige Stunden später hatte er sein Ziel erreicht. Er brauchte ein bisschen Zeit, um sich zu orientieren, dann begann er, seinen Plan umzusetzen. Er begann damit, Helena zu retten.
    Die anderen finden.
    Den Köder auslegen.
    Das Zeichen setzen.

DIENSTAG
    1
    Als das Telefon klingelte und Ingrid Nyström aufwachte, zeigte das Display des Radioweckers auf ihrem Nachttisch 2.13 Uhr. Während sie sich aufrichtete und über den Rücken ihres Mannes nach dem Hörer griff, stellte sie nicht ohne Verwunderung fest, dass sich die roten Leuchtziffern des Weckers so deutlich auf Anders’ haarlosem Hinterkopf spiegelten, dass sie erkennen konnte, wie die Anzeige auf 2.14 Uhr umsprang. Im Flüsterton nahm sie das Gespräch an. Es war Hultin. Sie klang sehr aufgeregt. Es hatte Schüsse gegeben, in der Innenstadt. Sie sprach von einer Maschinenpistole. Sofort war Nyström hellwach. Im Halbdunkel des Zimmers zog sie sich an, zwei Minuten später saß sie im Auto. Der Himmel über den Wäldern war noch nicht hell, aber es war auch nicht wirklich Nacht. Eher, als habe sich ein flüchtiger Schatten über das weite Ultramarin gelegt. Den Mond sah sie nicht, vielleicht war er schon untergegangen oder noch nicht auf. Vielleicht war es auch Neumond.
    Der Aufruhr war nicht zu übersehen. Vor der Domkirche in der Linnégatan standen zwei Streifenwagen, Blaulicht klatschte rhythmisch an die Fassade der jahrhundertealten Kathedrale und brach sich im Laub der hohen Linden und Buchen. Zwei uniformierte Polizistinnen waren in Gespräche mit neugierigen und aufgebrachten Anwohnern verwickelt, die sich Bademäntel oder Trainingsjacken über ihre Schlafanzüge geworfen hatten. Eine Frau stand in Hausschuhen da, ein Mann war sogar barfuß. Hultin diskutierte mit einem Reporter von Smålandsposten , der verlangte, hinter die Absperrung aus dem blau-weiß gestreiften Plastikband gelassen zu werden, um Fotos machen zu können. Nyström kannte den Mann vom Sehen. Natürlich hatte die Presse schon von dem Vorfall Wind bekommen, die Redaktion der Zeitung befand sich keine fünfzig Meter entfernt auf der anderen Straßenseite. Ein Stück weiter, auf der

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