Roulette der Liebe
meisten Frauen interessiert.«
Willow gab einen Protestlaut von sich.
»Außer dir«, fügte er hinzu. »Du bist nie wie andere Mädchen gewesen. Du hattest ein Herz, so groß wie eine Scheune - und nicht mehr Vernunft als ein Heuboden.«
Willow lachte amüsiert.
Als Eve aufblickte, sah sie Renos blaßgrüne Augen auf sich ruhen. Er brauchte kein Wort zu sagen, sie wußte auch so, daß er sie zu der Kategorie von Frauen zählte, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht waren und die sich nicht um die Bedürfnisse und Sehnsüchte anderer scherten.
»Also, ehrlich, Matt«, begann Willow. »Du solltest solche Dinge nicht sagen. Jemand, der dich nicht näher kennt, käme glatt auf die Idee, es wäre dein Ernst.«
Der Blick, den Reno Eve zuwarf, sagte ihr, daß er es tatsächlich so meinte.
»Beug Ethans Kopf etwas zurück«, sagte Eve gedämpft.
Reno verlagerte das Baby in seinem Arm, damit Eve das seidige, dunkle Haar abspülen konnte, ohne daß Seife in seine Augen geriet.
Als Ethan zu protestieren begann, beugte Eve sich zu ihm hinunter und sprach mit sanfter, beruhigender Stimme auf ihn ein, während sie sein Haar abspülte. Schnell hatten ihre geschickten Hände sein Köpfchen und seinen restlichen Körper gewaschen.
»Na klar, kleiner Schatz. Nur keine Aufregung. Gleich wirst du schön warm und trocken sein. Nur eine Sekunde Geduld noch. Siehst du? Alles erledigt.«
Eve zog das Handtuch von ihrer Schulter, schlang es um Ethans stämmigen kleinen Körper und hob ihn dann aus der flachen Badewanne. Sie setzte ihn auf die Anrichte und fuhr fort, ihn abzutrocknen -mit einer Geschicklichkeit, die für sich sprach. Während sie seine Händchen trockenrubbelte, zog sie der Reihe nach sanft an seinen kleinen Fingern und zitierte Bruchstücke aus alten Kinderreimen, an die sie schon seit Jahren nicht mehr gedacht hatte.
»Das ist der Daumen. Der schüttelt die Pflaumen.«
Ethan gluckste vor Vergnügen. Diesen Vers mochte er neben »Hoppe, hoppe Reiter« besonders gern.
» Der hier liest sie auf, der bringt sie nach Haus... und der Kleine, der ißt sie alle, alle, alle auf!«
Ethan lachte fröhlich, und auch Eve lachte. Sie wickelte ihm das Badehandtuch um und hob ihn hoch, um ihn an sich zu drücken und sanft auf die Wange zu küssen.
Mit geschlossenen Augen, tief versunken in Erinnerungen und Träume, wiegte Eve sich mit dem Baby im Arm leise hin und her, erinnerte sich an eine Zeit, als sie sich schmerzlich nach einem eigenen Heim, einer eigenen Familie, einem eigenen Kind gesehnt hatte.
Nach einigen Augenblicken merkte Eve, daß plötzlich absolute Stille in der Küche herrschte. Sie öffnete die Augen und sah, wie Willow sie freundlich anlächelte. Reno starrte Eve an, als hätte er noch nie eine Frau mit einem Baby schmusen sehen.
»Sie machen das sehr gut«, meinte Willow.
Eve setzte Ethan wieder auf die Anrichte und begann, ihm mit flinken Händen die Windel umzuwickeln.
»Im Waisenhaus hat es immer Babies gegeben«, erklärte sie. »Ich habe manchmal so getan, als gehörten sie mir... meine eigene kleine Familie.«
Willow schnalzte mitfühlend mit der Zunge.
Renos Augen verengten sich. Wenn ihm eine Möglichkeit eingefallen wäre, Eve daran zu hindern, ihre herzzerreißenden Lügen zu erzählen, hätte er es getan. Aber jetzt war es zu spät. Sie fuhr fort in ihrer Schilderung, und Willow hörte ihr mit weit aufgerissenen Augen zu.
»Aber es gab zu viele ältere Kinder im Waisenhaus. Jedesmal, wenn der Waisenzug abfuhr, wurden die Ältesten in den Westen geschafft. Schließlich war ich an der Reihe.« »Entschuldigen Sie«, meinte Willow leise. »Ich wollte keine unglücklichen Erinnerungen in Ihnen heraufbeschwören.«
Eve lächelte der jungen Frau zu. »Ist schon in Ordnung. Die Leute, die mich gekauft hatten, waren freundlicher als die meisten anderen.«
»Gekauft...?«
Willows Stimme verblaßte zu entsetztem Schweigen.
»Wird es nicht langsam Zeit, daß Ethan ins Bett kommt?« fragte Reno scharf.
Willow griff den Themenwechsel mit Erleichterung auf.
»Ja«, erwiderte sie. »Er muß todmüde sein. Heute mittag, als er sein Schläfchen halten sollte, war er die ganze Zeit so unruhig.«
»Darf ich ihn ins Bett bringen?« fragte Eve.
»Natürlich.«
Renos Blick folgte Eve bei jedem einzelnen Schritt auf dem Weg zur Küchentür, drohte ihr stumm mit Vergeltung dafür, daß sie versucht hatte, seiner Schwester mit rührseligen Geschichten das Herz zu erweichen.
7. Kapitel
Ethans
Weitere Kostenlose Bücher