Roulette des Herzens
das Speisezimmer.
Bei der verächtlichen Kritik war Lord Lauderson rot angelaufen. »Was hat Mr. Craven, einen Mann, der kein blaues Blut, keine Erziehung und ganz gewiss keine Bildung hat, auf den Einfall gebracht, seine Ideen seien auch nur einen Pfifferling wert?« Seine Stimme hatte durch den tödlich stillen Raum gehallt. »Er mag der wohlhabendste Bastard im ganzen Land sein, aber deshalb hat er noch lange nicht das Recht, in dieser unverschämten Weise mit mir zu reden.« In steigendem Zorn schaute Lord Lauderson den Earl of Wolverton an. »Man ist mir eine Entschuldigung schuldig, Sir! Da Sie dafür verantwortlich sind, diesen Menschen eingeladen zu haben, akzeptiere ich Ihre statt seiner.«
Die Runde erstarrte. Nicht einmal das Knarren eines Stuhls durchbrach die Stille. Alexanders Gesicht war wie versteinert, während er Lord Laudersons Blick erwiderte. »Entschuldigen Sie mich, meine Herren«, sagte er schließlich. »Plötzlich ist die Luft hier so schlecht geworden.« Mit angewiderter Miene verließ er den Tisch, und Lord Lauderson drohten die Augen aus dem Kopf zu fallen.
Alexander konnte den Freund nicht finden, bis der Ball bereits begonnen hatte. Er betrat den Ballsaal, blieb stehen und betrachtete das hinter riesigen Rosengebinden fast versteckte Orchester. Die Kerzen auf einer Reihe französischer Kronleuchter, von denen jeder eintausend Pfund wog, verbreiteten strahlendes Licht, das auf den schimmernden Fußboden und die enormen Marmorsäulen fiel. Die Gattin machte mit ihrer üblichen herzlichen und graziösen Art die Honneurs und vermittelte jedem Gast mühelos das Gefühl, willkommen zu sein.
Alexander sah Derek ein Glas vom Tablett eines vorübergehenden Dieners nehmen und gesellte sich zu ihm. »Was die Szene im Esszimmer betrifft, Derek …«
»Ich hasse die Oberklasse«, unterbrach Derek und trank einen großen Schluck Wein.
»Du weißt genau, dass nicht jeder Adelige so ist wie Lauderson.«
»Du hast recht. Manche sind schlimmer«
Dem Blick des Freundes folgend, bemerkte Alexander, dass Lauderson sich einer Gruppe von Peers anschloss, die alle um Ashby scharwenzelten. Lord Ashby, ein hochnäsiger, reizbarer Gentleman der alten Schule, hörte sich gerne reden. Er glaubte, jedes von ihm geäußerte Wort sei wie eine Perle, die ihm von den Lippen fiel. Eingedenk seines Ranges und Reichtums hätten die ihn umringenden Speichellecker nie gewagt, ihm zu widersprechen. »Hat Lady Ashby schon mit dir geredet?« erkundigte sich Alexander.
Derek schüttelte den Kopf. »Das wird sie nicht wagen.«
»Wie kannst du dir dessen so sicher sein?«
»Weil ich sie, als wir uns das letzte Mal sahen, fast erwürgt hätte.«
Alexander sah überrascht aus. Dann lächelte er grimmig. »Ich würde es dir nicht übelnehmen, hättest du sie stranguliert.
Derek starrte weiterhin Lord Ashby an. »Sie war fünfzehn Jahre alt, als sie diesen alten Affen heiratete. Sieh ihn dir an! Er ist umringt von hochgeborenen Schmierlappen. Ich begreife, warum Joyce so geworden ist. Ein Mädchen unter Zwanzig, das mit ihm vermählt ist, muss sich entweder zu einem Angsthasen oder einem Monstrum entwickeln.«
»Das klingt, als hättest du ein bisschen Mitleid mit ihr.«
»Nein. Ich begreife sie jedoch. Das Leben macht die Menschen zu dem, was sie sind.« Eine steile Falte erschien zwischen Dereks Brauen. Er wies in eine Ecke des Raums. Falls einer dieser vornehmen Barone oder Viscounts in der Gosse geboren worden wäre, hätten sie sich nicht besser entwickelt als ich. Eine vornehme Herkunft zählt nichts.«
Dem Blick des Freundes folgend, bemerkte Alexander eine wachsende Anzahl von Männern, die Miss Fielding umringten. Ihre zierliche, aber an den richtigen Stellen gutgerundete Gestalt war in ein blaues Kleid gehüllt, dessen Farbe etwas dunkler war als die ihrer Augen. Ihr kastanienbraunes Haar war zu vielen Locken frisiert. An diesem Abend sah sie ungewöhnlich hübsch aus und strahlte einen stillen Charme aus, den jeder Mann unwiderstehlich finden musste.
Alexander richtete die Augen wieder auf das reglose Gesicht des Freundes. Falls das stimmt, warum läßt du dann zu, dass einer dieser gelackten Pinscher Miss Fielding bekommt?«
Derek ignorierte die Frage.
»Würde einer von ihnen sie besser behandeln als du?« fuhr Alexander beharrlich fort. »Sich besser um sie kümmern? Würde einer dieser jungen Schnösel sie mehr schätzen als du?«
Dereks Blick war kalt. »Von allen Leuten weißt du am besten, was
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