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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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beleidigenden Verachtung, mit einem in jeder Hinsicht so widerwärtigen Hochmuthe, daß dieser arme Junge, ein sehr gutmüthiges Subject, welches ihm Frau von Epinay gegeben hatte, seinen Dienst verließ ohne andern Klagegrund als die Unmöglichkeit, eine solche Behandlung auszuhalten; er war der La Fleur dieses neuen » Glorieux «.
    Eben so geckenhaft wie eitel machte er mit seinen dicken trüben Augen und seiner schlotterigen Gestalt Ansprüche auf Glück bei den Frauen und seit seiner Posse mit Fräulein Fel galt er bei einigen unter ihnen als ein Mann von großer Empfindung. Dies hatte ihn in Mode gebracht und ihm Gefallen an weiblicher Zierlichkeit eingeflößt; er begann den Stutzer zu spielen; seine Toilette wurde eine wichtige Angelegenheit; alle Welt wußte, daß er weiße Schminke auflegte, und ich, der ich anfangs nichts von dem allen glaubte, fing es zu glauben an, nicht allein wegen der Verschönerung seines Teints und weil ich Näpfchen mit weißer Schminke auf seinem Toilettentische gefunden hatte, sondern auch weil ich ihn, als ich eines Morgens in sein Zimmer trat, dabei antraf, wie er seine Nägel mit einer besonders dazu gefertigten Bürste putzte, eine Arbeit, die er ganz stolz in meiner Gegenwart fortsetzte. Ich schloß, daß ein Mann, der jeden Morgen zwei Stunden mit Bürsten seiner Nägel zubringt, auch recht gut einige Augenblicke damit zubringen kann, die Falten seiner Haut mit weißer Schminke auszufüllen. Der biedere Gauffecourt, der wegen seiner witzigen Einfälle berüchtigt war, hatte ihm den Spottnamen »Tyrann der Weiße« beigelegt.
    Dies alles waren freilich nur Lächerlichkeiten, aber meinem Charakter waren sie völlig zuwider. Sie machten mir den seinigen vollends verdächtig. Ich hatte Mühe zu glauben, daß ein Mann, dem es im Kopfe so schwindelte, das Herz auf der rechten Stelle behalten könnte. Er bildete sich auf nichts so viel ein als auf seine Seelenkraft und Gefühlsstärke. Wie vereinigte sich dies mit Fehlern, die nur schwachen Seelen eigen sind? Wie können ihn die lebhaften und fortwährenden Regungen, von denen ein fühlendes Herz nach Dingen außer ihm erfüllt ist, sich unaufhörlich mit so vielen kleinen Sorgen für seine unbedeutende Person beschäftigen lassen? Ach, mein Gott, wer sein Herz von diesem himmlischen Feuer erglühen fühlt, sucht es mitzutheilen und wünscht sein Inneres zu zeigen. Er möchte sein Herz auf dem Gesichte tragen; er wird nie an andere Schminke denken.
    Ich erinnerte mich des Grundgedankens seiner Moral, den mir Frau von Epinay gesagt und den sie sich zu eigen gemacht hatte. Dieser Grundgedanke bestand in einem einzigen Artikel, nämlich darin, daß es des Menschen einzige Pflicht ist, in allen Stücken den Neigungen seines Herzens zu folgen. Diese Moral gab mir, als ich sie vernahm, furchtbar viel zu denken, obgleich ich sie damals nur für ein Spiel des Witzes hielt. Allein ich überzeugte mich bald, daß dieses Princip wirklich die Regel seines Verhaltens war, und ich erhielt später nur zu sehr den Beweis davon auf meine eigenen Kosten. Es ist die innere Doctrin, von der mir Diderot so viel erzählt, aber die er mir nie deutlich gemacht hat.
    Ich gedachte der häufigen Andeutungen, die man mir schon vor mehreren Jahren gemacht hatte, daß dieser Mensch falsch wäre, das Gefühl nur erheuchelte und vor allem mich nicht lieb hätte. Ich erinnerte mich mehrerer kleinen Anekdoten, die mir Herr von Francueil und Frau von Chenonceaux darüber erzählt hatten. Beide achteten ihn nicht und mußten ihn kennen, weil Frau von Chenonceaux die Tochter der Frau von Rochechouart, einer innigen Freundin des verstorbenen Grafen von Friese war und Herr von Francueil, damals der unzertrennliche Gefährte des Vicomte von Polignac, viel im Palais Royal verkehrt hatte, gerade als sich Grimm dort Zutritt zu verschaffen begann. Ganz Paris war von seiner Verzweiflung nach dem Tode des Grafen von Friese unterrichtet. Es kam darauf an, den Ruf aufrecht zu erhalten, den er sich nach der zurückweisenden Strenge des Fräulein Fel erworben hatte, und wobei ich, wäre ich weniger blind gewesen, besser als irgend jemand die Unwahrheit seines Benehmens hätte erkennen müssen. Man mußte ihn nach dem Hotel Castries bringen, wo er sich der maßlosesten Trauer überlassend, würdig seine Rolle spielte. Jeden Morgen ging er in den Garten, um sich nach Herzenslust auszuweinen, sein thränenfeuchtes Taschentuch, so weit man ihn vom Hotel sehen konnte, auf die Augen

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