Roxane und der Hexer (German Edition)
dem Galgenwirt s haus an. Ein hochrädriger Marketenderwagen stand davor. Der Stallknecht führte gerade ein starkknochiges Reitpferd in den Stall. Aus dem Wirtshaus drang das Grölen der Zecher.
Wieder einmal waren Truppen in der Nähe, wie so oft in dem von der Kleinstaaterei zerrissenen, von vielen Fehden, Kriegen und Kämpfen zerrütteten Deutschland. Der Habsburger Rudolf II. hatte nicht die Kraft und die Energie, seine hochfliegenden Pl ä ne zu verwirklichen und dem Land endlich Frieden und Ei n heit zu bringen.
Roxane zögerte einen Augenblick. Doch sie musste hinein, musste Gilbert Signefeu sehen, jenen Mann, der aus unerfindlichen Grü n den aus Frankreich hatte fliehen müssen und der in Deutschland eine neue Existenz gefunden hatte. Das Verhältnis zwischen dem Hause Habsburg und dem französischen Herrscherhaus Valois war gespannt. Franzosen waren in Deutschland nicht eben beliebt. Es wurde gemunkelt, Gilbert Signefeu geh ö re zu den Hugenotten, die nach der Bartholomäusnacht 1572 g e flohen waren und bei deutschen Fürsten Aufnahme gefunden hatten. Andere Gerüchte besagten, S i gnefeu sei ein Spion und Schlimmeres gewesen.
All das ging Roxane von Falkenfels durch den Kopf, als sie das Wirtshaus betrat. Landsknechte saßen an den Tischen, tra n ken, grölten und würfelten. Ein hässliches Weib mit bunten Kle i dern und einem Gesicht, in dem alle Laster standen, saß bei i h nen. In einer Ecke standen langläufige Arkebusen zu e i ner Gewehrpyramide zusammengestellt.
» He, Täubchen, du willst sicher zu mir ?«, grölte ein schwar z bärtiger Landsknecht.
Wie die ändern trug er weite Pluderhosen und einen engen, g e fütterten, bunten Rock. Das Wehrgehänge hatte er abgelegt, die engen Schaftstiefel ausgezogen. Er stand auf, kam auf R o xane zu.
» Ich bin der Profo ss « , rief er. » Meine Kameraden und ich, wir haben einen Deserteur gefangen und gleich an eurem feinen Galgen aufgeknüpft. «
Er lachte rau .
» Jetzt versaufen wir die Kopfprämie. Komm, trink mit mir. Oder wollen wir gleich ins Heu? «
Die andern hatten ihr Würfelspiel unterbrochen und beobacht e ten den Profoss . Jetzt lachten sie rau . Roxane wich dem Mann aus, der sie mit ausgebreiteten Armen umfangen wollte. Sie lief zur Treppe, die zum Obergeschoß führte.
Einer der Landsknechte stellte ihr ein Bein. Roxane sto l perte und fiel. Der Schwarzbart riß sie hoch, zog sie an sich. Er wollte sie küssen. Roxane sträubte und wehrte sich, aber der Landsknecht war bärenstark. Er lachte nur. Er roch nach Schweiß und Wein.
» Halt, Landsknecht! Lass sie los! «
Die Stimme war nicht laut, aber sie schnitt durch den Lärm im Wirtshaus wie ein Messer. Der Profo ss gab Roxane frei, hielt sie nur noch am Arm fest. Er sah zu dem Schankknecht, der sich hi n ter den groben Tresen drückte. Dann zu dem Mann, der auf der Treppe stand. Ein großer, bleicher, dunkel gekleideter Mann mit einem Feue r mal im Gesicht.
» Was mischst du dich ein, Weinpanscher? Was kümmert's mich, ob die Kleine da deine Tochter oder deine Frau ist. Verschwi n de, sonst breche ich dir die Knochen und setze dir den roten Hahn aufs Dach. «
Signefeu trat auf den Profoss zu. So zwingend war sein Blick, dass der Schwarzbart Roxane losließ und zwei Schritte zurückwich. Seine Kumpane stießen ihn an. Da zog er ein spi t zes Dolchmesser unter seinem Wams hervor.
» Stirb, du Hund !«, schrie er, riß den Arm zurück und warf das Messer.
Es flog auf Gilbert Signefeu zu. Er schien verloren. Doch o h ne dass er sich gerührt hätte, beschrieb das Dolchmesser in der Luft eine Parabel, zischte wie ein silberner Blitz zu dem Werfer zurück, grub sich tief in seinen Hals unter dem schwa r zen Bart. Mit einem Schrei brach der Profoss zusammen.
» Das ... das ging nicht mit rechten Dingen zu « , rief einer der Landsknechte.
Und das hässliche Weibsbild schrie: » Packt ihn, schlagt ihn tot! Er ist ein Hexer. «
Signefeu deutete mit der ausgestreckten Hand auf sie. Es krachte wie ein Donnerschlag. Rauch quoll auf, verhüllte die Sicht. Gilbert Signefeu murmelte eine Beschwörung. Das Weib brüllte auf voller Schmerz und Todesnot.
Roxane hörte Schreie, Flüche, das Knurren und Hecheln eines großen Wolfes. Der Rauch wirbelte aus Türen und Fenstern. Nur undeutlich sah Roxane flüchtende Landsknechte und zwischen i h nen einen großen, schwarzen Wolf. Knurrend sprang die Bestie einem Landsknecht an die Kehle, warf ihn rücklings über den Tisch. Blut schoss
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