Ruby und Niall
ist, schließlich hat sie ihn großgezogen, aber ich denke immer, wie es wohl gelaufen wäre, wenn ich ihn behalten hätte."
"Wenn ihr es ihm erklärt, sobald er groß genug ist, wird er es verstehen", sagte Niall, "er ist ein schlauer kleiner Kerl."
"Wir werden es ihm nicht sagen", erwiderte Ruby.
Sie war noch nicht einmal sechzehn Jahre alt gewesen, als er auf die Welt gekommen war, und schon vor der Geburt hatte Helen ihr vorgeschlagen, ihn aufzunehmen. Bereits während der Schwangerschaft hatte alle, die von ihrem Zustand wussten, alles Mögliche getan, um ihr zu beweisen, dass sie in ihrem Alter und in ihrer sozialen Situation niemals für ein Kind sorgen könne. Und vielleicht hatte sie aus Trotz genauso reagiert, um alle darin zu bestätigen. Sie war hochschwanger von einer Party zur nächsten gehüpft, war nur selten zuhause aufgetaucht und hatte bis zum Schluss den Namen des Vaters nicht verraten.
Nicht, dass sie es gekonnt hätte; sie wollte nur nicht zugeben, dass sie ihn selbst nicht kannte. Sie hatte sehr betrunken mit einem unbekannten Partygänger Sex gehabt, im Suff zwar an ein Kondom gedacht und es auch benutzt, aber in der korrekten Anwendung waren sie beide zu wenig sorgsam gewesen. Der Junge, genauso betrunken wie sie, hatte sich neben sie gerollt, an sich hinuntergesehen und mühsam deutlich gefragt: "Hatte ich nicht nen Gummi an?"
Im kopflosen Rausch der letzten Minuten hatte er nicht bemerkt, dass das Gummi runtergerutscht und in Ruby verschwunden war. Sie hatte es mühevoll mit zwei Fingern wieder herausgeholt und in der Toilette runtergespült.
"Könnte schlimmer sein", hatte sie gemeint, "bei einer Freundin ist das Piercing ihres Freundes drin stecken geblieben."
Weder vorher noch nachher hatte Alfies biologischer Vater echtes Interesse an Ruby gehabt. Als sie sich zwei Tage später im Wallmart über den Weg gelaufen waren, hatte er so getan, als kenne er sie nicht.
"Es war nicht schlimm", sagte Ruby leise, "wenn ich nicht so betrunken gewesen wäre, hätte ich mich nicht auf ihn eingelassen. Als meine Periode ausblieb, wusste ich sofort, was los war. Nichts Verschobenes. Nichts Verzähltes. Ich hab mich nur darüber geärgert, dass ich nicht einmal seinen Namen wusste."
"Es ist schön, dass es Alfie gibt", sagte Niall.
Unter den Decken wurde es gemütlich warm, Niall löschte das Licht und wühlte sich unter die Decken, fühlte Rubys Hand auf seiner Brust.
"Worüber hast du dich mit ihm unterhalten?", fragte sie, "du hast schwer Eindruck auf ihn gemacht. Er hat den ganzen Tag von dir gesprochen."
"Lügengeschichten aus dem Wanderzirkus", sagte Niall.
"Hätte ich mir denken können."
In der Dunkelheit des kleinen Zimmers, das so unpersönlich war wie eine Billigabsteige, lagen sie stumm und eng aneinandergedrückt da, hielten nur kurz den Atem an, als die Jungs von ihrem Freitagabend-Besäufnis zurückkamen.
Jemand sang einen Irish Rebel Song, obwohl er bei der schiefen Stimme nicht hätte singen sollen, zwei stritten sich, ein weiterer blökte vor Lachen über etwas, was die anderen nicht komisch fanden.
"Wer von denen ist Michael?", flüsterte Ruby. Sie horchten. Niall sagte: "Ich kann ihn nicht raushören. Bestimmt musste er fahren und durfte nicht saufen deswegen. Dann verzieht er sich immer sofort."
Der Krach in dem großen Haus wurde nicht weniger, aber zumindest hatte der Betrunkene aufgehört zu singen.
"Was veranstalten die da?"
Bei jedem plötzlichen Rumpeln und Poltern zuckte sie zusammen.
"Sie machen sich noch was zu essen", flüsterte Niall zurück, "wird eine Weile dauern, bis sie in ihre Betten finden."
Sie lauschten. Eine sehr deutliche Stimme im Flur vor den Zimmertüren des Dachgeschosses rief: "Soll ich ihn wecken? Vielleicht will er was mitessen."
Und von unten antwortete jemand ("Das ist Onkel Sean", flüsterte Niall): "Lass ihn schlafen, wenn er überhaupt zuhause ist."
Schritte polterten schwer die Holztreppe wieder nach unten. Der Lärm nahm ab, dafür zog der Geruch von Gemüsesuppe bis zu ihnen hinauf in die Kammer.
"Was würden sie von mir halten, wenn sie mich sehen?"
Niall begann zu lachen, unterdrückte es nur mühsam; es war zu komisch, dass Ruby eine schüchterne Seite von sich präsentierte.
"Sie sind Damen gegenüber immer sehr höflich", sagte er.
"Trotzdem", murmelte Ruby schläfrig, "ich möchte ihnen morgen früh nicht begegnen, nachdem ich in meinen Klamotten geschlafen habe."
Niall erinnerte sich undeutlich daran, was sie über ihre
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