Rückgrad
mir …
- Stimmt, und die hat kein einziges Mal auf die Bremse getreten, nicht mal umgeguckt hat die sich …
- Ich gebe zu, unter den Frauen ist manche, die enttarnt sich am hellichten Tag, monologisierte ich.
- Nur zu, keine Hemmungen, gib ihnen ruhig deinen Segen, schalt mich Sarah, die mit einem Tablett voll dampfender Schalen antanzte. Mit ein wenig Glück fahren sie beim nächstenmal jemand über den Haufen.
Das roch nach nichts, das mußte Lindenblütentee sein.
- Nein, sie wissen, was ich von dem Ganzen halte, antwortete ich und füllte mein Glas nach.
- Oh … Dann bin ich ja beruhigt …!
Sie setzte das Tablett ab und richtete sich auf wie eine Blüte auf ihrem Stengel. Wir blieben alle drei sitzen und betrachteten sie, während sie die Klammern aus ihren Haaren löste, und der Anblick stopfte uns den Schnabel. Man hörte nur noch den Wind, der hinter der Tür jaulte. Ich fragte mich, wer sich da um die Beleuchtung kümmerte. Dabei war das nur eine Frau, eine simple Sterbliche. Wo hatte sie all diese Bewegungen gelernt …?
- Richard, ich will mich nicht mit dir streiten …. sagte sie freundlich.
Ich trank mein Glas in einem Zug aus. Vielleicht würde ich sie eines schönen Tages doch noch vergewaltigen. Ich dachte immer ernsthafter darüber nach. Zuweilen war meine Prüfung einfach unmenschlich. Zumal sie, ehrlich gesagt, keiner so sehr verdiente wie ich, und bestimmt nicht diese Reihe von Schwachköpfen, die sie mir vor der Nase wegschnappten. Ich könnte sie vergewaltigen und sie bitten, mich zu heiraten.
- Du brauchst nur noch zwei Monate zu warten, fuhr sie fort. Wenn du erst mal diesen verflixten Führerschein hast, sehen wir weiter.
Er nickte. Offenbar war er zufrieden, so billig weggekommen zu sein, und er war gern bereit, alles zu versprechen, was man von ihm wollte. Es herrschte eine solch friedliche Atmosphäre in der Bude – Gladys schlief bei einer Freundin, und eins erklärte das andere –, daß ich meine Beule vergessen hatte. Ich fühlte mich überhaupt nicht wie einer, der keinen Job mehr hat und nicht mal eine Frau zur Hand, damit er die Hoffnung nicht aufgibt. Ich fühlte mich eher wohl. Manchmal kann man über die Wunden lachen, die einem das Leben zufügt. Der Geifer der Kröte kann das Antlitz des Menschen nicht treffen.
9
Am nächsten Morgen zogen Hermann und ich los, um ein paar Einkäufe zu tätigen. Der Himmel war grau. Der Wind hatte aufgehört, aber die ersten Flocken tanzten reichlich früh für die Jahreszeit durch die Lüfte. Nicht daß ich unbedingt Wert darauf legte, ihn zu begleiten, aber meines Wissens führte kein Weg daran vorbei, denn wenn ich ihn allein losschickte, war er glatt fähig, mit leeren Händen zurückzukommen und mir zu verkünden, er habe unterwegs den Dingsda oder die Soundso getroffen oder ihm sei plötzlich irgendeine dringende Sache eingefallen, und im Grunde habe das ja auch keine Eile. Ich fand, es war schon eine Art Wunder, daß er sich morgens überhaupt anzog.
Ich hatte ihn mir während des Frühstücks vorgeknöpft, und es war mir gelungen, mit ihm zusammen eine Liste aufzustellen von allem, was er brauchte. Ich hatte ihn zum Schrank schleifen müssen. Ich hatte ihn zu seiner Kollektion T-Shirts beglückwünscht. Ich hatte wissen wollen, ob er die Absicht habe, sie eins über dem anderen anzuziehen, wenn wir unter Null abdrifteten, ob er es nicht auch bedauerlich finde, daß ich mich um diesen Kram kümmern müsse.
Ich wartete neben der Kasse auf ihn, die Finger krampfhaft um meine Kreditkarte gepreßt und zitternd vor Aufregung, daß nur ja niemand telefonisch um die Bewilligung nachfragte. Ich wußte nicht genau, wie es mit meinem Konto stand, denn ich sah mir meine Auszüge nicht mehr an. Ich wußte, es sah schlecht aus, das auf jeden Fall, ich hatte kein Bedürfnis, mich in die Einzelheiten zu stürzen. Ich hoffte, mein Filialleiter hatte auch Kinder und erinnerte sich an die Zeit, wo er sich auf meine Kosten gemästet hatte, ohne daß ich einen Ton gesagt hatte.
Während sich Hermann eine Jacke aussuchte, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, ein Paar Stiefel aus Straußeleder anzuprobieren, wahre Wunderdinger, unabhängig vom Preis. Der Verkäufer behauptete, sie stünden mir göttlich. Ich war nicht blind, aber das war ein hübsches Sümmchen in meiner Situation. Wir nickten einander zu und bewunderten meine Füße. Ihm zufolge durfte ich nicht länger zögern, aber ich gab keine Antwort. Ich war mir nicht
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