Rueckkehr ins Leben
mir Geld geschickt, und ich hatte etwas davon gespart, deshalb beschlossen Mohamed und ich, in die Stadt zu gehen
und zu kaufen, was wir finden konnten, ein bisschen Gari, Sardinen in Dosen, Reis, egal was. Ich wusste, dass ich Gefahr lief, meinen ehemaligen Militärfreunden zu begegnen, die mich töten würden, wenn ich ihnen erzählte, dass ich
nicht mehr am Krieg beteiligt sei. Aber ich konnte nicht einfach nur zu Hause sitzen bleiben. Ich musste etwas Essbares auftreiben.
Wir hatten von einem geheimen Markt in der Stadt ge-
hört, der sich auf einem Hof hinter einem leerstehenden
Haus befand und auf dem Lebensmittel an Zivilisten verkauft wurden, die es sonst nicht gab. Sie verkauften die Ware zum doppelten Preis, aber das Risiko und die Kosten schienen das wert zu sein. Wir machten uns früh am Morgen auf den
Weg, voller Angst, einem Bekannten zu begegnen. Wir hiel-
ten die Köpfe gesenkt, wenn wir an jungen Rebellen oder
Soldaten vorbeieilten. Wir trafen ein, als die Verkäufer gerade anfingen, die Lebensmittel auszulegen. Wir kauften etwas
237
Reis, etwas Palmöl, Salz und Fisch. Als wir fertig waren, war der Markt voller Leute, die eilig versuchten, das zu kaufen, was sie sich leisten konnten.
Gerade als wir gehen wollten, rauschte ein offener Land
Rover heran, von dem bewaffnete Männer heruntersprangen,
noch bevor er zum Stehen kam. Sie rannten in die Menge
der Zivilisten und feuerten Warnschüsse ab. Über ein Megafon befahl der Kommandant allen, die Tüten mit Lebensmit-
teln abzustellen, die Hände hinter die Köpfe zu nehmen und sich flach mit dem Gesicht nach unten auf den Boden zu legen. Eine Frau geriet in Panik und rannte los. Ein bewaffneter Mann mit einem roten Stirnband schoss ihr in den Kopf.
Sie schrie und fiel, schlug laut auf den steinigen Boden auf.
Dies verursachte noch mehr Panik, und alle stoben in unterschiedliche Richtungen auseinander. Wir schnappten unsere Waren und rannten geduckt davon. Das alles kam uns nur
allzu vertraut vor.
Als wir aus dem Viertel rannten, traf noch ein Land Rover mit weiteren bewaffneten Männern ein, die Schüsse abfeuer-ten und Leuten mit dem Gewehrkolben auf die Köpfe schlu-
gen. Wir versteckten uns hinter einer Mauer, die den Markt von der Hauptstraße trennte und blieben dann auf einem befestigten, aber versteckten Pfad hinter den Häusern abseits der Bucht. Fast schon am Ende der Bucht, wo die Flut gegen ein gesunkenes Boot schlug, sprangen wir mit unseren Lebensmitteln unter dem Arm wieder auf die Hauptstraße und gin-
gen das letzte Stück Fußweg nach Hause. Wir näherten uns
dem Cotton Tree im Stadtzentrum, als Demonstranten an uns vorbeirannten, die Plakate hochhielten, auf denen Parolen standen wie »Stoppt das Morden« und Ähnliches. Sie trugen weiße Hemden und hatten weiße Stirnbänder umgebunden.
Wir versuchten, sie zu ignorieren, aber als wir auf dem
Heimweg um eine Ecke bogen, kamen bewaffnete Männer,
die Hälfte in Zivilkleidung, die anderen in Militärmontur, auf uns zu gerannt und feuerten in die Menge. Es war unmöglich, sich aus der Menge zu lösen, also reihten wir uns ein.
Die bewaffneten Männer begannen, Tränengas zu werfen.
Die Zivilisten erbrachen sich auf die Bürgersteige und blute-238
ten aus den Nasenlöchern. Alle rannten in Richtung Kissy
Street. Zu atmen war fast unmöglich. Ich legte mir die Hand auf die Nase, die sich anfühlte, als hätte man sie in scharfe Gewürze getunkt. Ich umklammerte meine Tüte mit den
Lebensmitteln und rannte neben Mohamed her, versuchte,
ihn in der Menge nicht zu verlieren. Tränen liefen mir die Wangen herunter, und meine Augäpfel und meine Lider
fühlten sich schwer an. Wut stieg in mir auf, aber ich versuchte, mich zu beherrschen, weil ich wusste, dass ich es mir nicht erlauben konnte auszurasten. Das würde meinen Tod
bedeuten, denn ich war jetzt Zivilist. Das wusste ich.
Wir rannten weiter mit der Menge, versuchten, einen
Fluchtweg zu finden und nach Hause zu gelangen. Meine
Kehle schmerzte. Mohamed hustete, bis die Adern an seinem Hals hervortraten. Wir schafften es, uns aus der Menge zu lösen, und er steckte den Kopf unter eine öffentliche Wasser-pumpe. Plötzlich kamen Menschen aus einer anderen Rich-
tung so schnell sie konnten auf uns zugerannt. Soldaten verfolgten sie, also rannten auch wir, immer noch mit unseren Lebensmitteln unter dem Arm.
Wir befanden uns jetzt inmitten studentischer Demons-
tranten auf einer von hoch aufragenden
Weitere Kostenlose Bücher