Rueckkehr ins Leben
und Äxte schwan-
gen, riss uns deren Gewicht mit in die Büsche, wo wir eine Weile liegen blieben und uns die schmerzenden Schultern
rieben. Gibrillas Onkel schüttelte dann den Kopf und sagte:
»Ihr faulen Stadtjungs.«
Am ersten Morgen, an dem wir roden sollten, wies Gibril-
las Onkel jedem von uns einen Abschnitt des Gebüschs zu.
Wir brauchten drei Tage, um unsere Abschnitte zu roden,
während er seinen in weniger als drei Stunden schaffte.
Als ich das Entermesser in die Hand nahm und zum An-
griff gegen den Busch übergehen wollte, konnte sich Gibrillas Onkel nicht mehr beherrschen. Er brach in lautes Gelächter aus, dann zeigte er mir, wie man das Messer richtig hielt. Ich schwang das Entermesser mit aller Gewalt gegen die Bäume, die er mit einem Hieb fällte.
Die ersten beiden Wochen waren extrem schmerzhaft. Ich
litt unter Rückenschmerzen und Muskelkater. Am schlimm-
sten war aber, dass sich meine Handflächen schälten, an-
schwollen und voller Blasen waren. Meine Hände waren es
eben nicht gewohnt, eine Machete oder eine Axt zu halten.
Nach dem Roden wurden die Büsche zum Trocknen ausge-
legt. Später, wenn die geschnittenen Büsche getrocknet war-48
en, zündeten wir sie an und beobachteten, wie der dichte
Rauch in den blauen Sommerhimmel stieg.
Dann mussten wir Maniok pflanzen. Dafür gruben wir mit
Hacken winzige Löcher in den Boden. Wenn wir uns von
dieser Aufgabe, bei der wir stundenlang mit gebücktem
Oberkörper stehen mussten, ausruhen wollten, holten wir
Maniokstiele, die wir in kürzere Stücke schnitten und in die Löcher steckten. Die einzigen Geräusche, die wir bei der Arbeit hörten, waren die Melodien, die die routinierten Bauern summten, und gelegentlich der Flügelschlag eines Vogels, das Knacken der Äste im nahe gelegenen Wald oder Nachbarn,
die auf dem Pfad zu ihren Plantagen oder zurück ins Dorf
gingen und im Vorbeigehen grüßten. Am Ende des Tages
setzte ich mich manchmal auf einen Baumstamm auf dem
Dorfplatz und sah den kleineren Jungen bei ihren Ring-
kämpfen zu. Einer der Jungen, ungefähr sieben Jahre alt, fing immer Streit an und seine Mutter zog ihn am Ohr weg. Ich
erkannte mich in ihm selbst wieder. Auch ich war ein
schwieriger Junge und geriet ständig in Streitereien, in der Schule und am Fluss. Manchmal warf ich mit Steinen nach
Kindern, die ich nicht verprügeln konnte. Da wir keine Mutter zu Hause hatten, waren Junior und ich die Außenseiter in unserer Gemeinschaft. Die Trennung unserer Eltern hatte
Spuren bei uns hinterlassen, die selbst dem kleinsten Kind unserer Ortschaft nicht verborgen blieben. Wir wurden zum Thema des allabendlichen Tratsches.
»Die armen Jungen«, sagten einige.
»Sie werden keine ordentliche Ausbildung bekommen«,
merkten andere besorgt an, wenn wir an ihnen vorbeigingen.
Ich war so wütend über die Art ihres Mitleids, dass ich ihren Kindern in der Schule manchmal in den Hintern trat,
besonders jenen, die uns ansahen, als wollten sie sagen: Meine Eltern reden oft über euch.
Wir arbeiteten drei Monate lang in Kamator auf dem Feld,
aber ich konnte mich nie daran gewöhnen. Das Einzige, was mir dort Spaß machte, waren die Pausen am Nachmittag,
wenn wir im Fluss baden gingen. Dort saß ich auf dem kla-
ren, sandigen Grund des Flusses und ließ mich vom Strom
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flussabwärts treiben, wo ich dann wieder auftauchte, meine schmutzigen Klamotten anzog und zur Farm zurückkehrte.
Das Traurige an all der harten Arbeit war, dass sie zum
Schluss doch zu nichts gut war. Die Rebellen kamen schließ-
lich doch, alle rannten davon und ließen ihre Felder zurück, die vom Unkraut überwuchert und von Tieren kahlgefressen
wurden.
Beim Angriff auf das Dorf Kamator wurden meine Freun-
de und ich getrennt. Es war das letzte Mal, dass ich meinen großen Bruder Junior sah.
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Der Angriff kam unerwartet eines Nachts. Es hatte nicht
einmal Gerüchte gegeben, dass die Rebellen keine 80 Kilo-
meter mehr von Kamator entfernt waren. Eines Nachts spa-
zierten sie einfach wie aus dem Nichts heraus ins Dorf.
Es war ungefähr acht Uhr abends, als die Leute das letzte Gebet des Tages sprachen. Der Imam merkte nicht, was vor
sich ging, bis es zu spät war. Er stand vor allen, blickte nach Osten und rezitierte leidenschaftlich eine lange Sure. Nachdem das Gebet begonnen hatte, durfte niemand mehr etwas
sagen, das nichts damit zu tun hatte. Ich war an jenem Abend nicht in die Moschee gegangen, aber Kaloko war
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