Rueckkehr ins Leben
es
laut, weil alle darüber sprachen, was sie mit dem Geld machen wollten. Das war auf jeden Fall aufregender, als das Zeug zu verbrennen.
Während einige Jungen Coca-Cola, Süßigkeiten und
Ähnliches von ihrem Geld kauften, planten Mambu, Alhaji
und ich einen Ausflug nach Freetown. Wir wussten nur, dass wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Stadtzentrum fahren mussten.
An jenem Morgen schlangen wir unser Frühstück herunter
und verließen alle drei gleichzeitig den Speisesaal. Ich tat so, als wolle ich zur Kontrolle in die Krankenstation, Mambu
ging in die Küche, als wollte er Nachschlag holen. Von dort kletterte er aus dem Fenster, während Alhaji in Richtung der Toiletten ging. Wir wollten nicht, dass die anderen Jungen etwas mitbekamen, denn wir hatten Angst, dass sie alle mitkommen mochten und die Mitarbeiter in Panik geraten wür-
den. Wir trafen uns zu dritt an der Kreuzung unten am Center und stellten uns an der Bushaltestelle in die Schlange.
»Wart ihr schon mal in der Stadt?«, fragte uns Alhaji.
»Nein«, erwiderte ich.
»Ich hätte in Freetown zur Schule gehen sollen, aber dann 168
kam der Krieg. Ich hab gehört, es soll eine schöne Stadt sein«, sagte Alhaji.
»Naja, das werden wir gleich sehen. Da ist der Bus«, rief Mambu.
Im Bus dröhnte Soukous-Musik und die Leute unterhiel-
ten sich laut, als befänden sie sich auf dem Marktplatz. Wir setzten uns nach hinten und betrachteten die vorbeiziehenden Häuser und Kioske. Ein Mann, der im Gang stand, fing an,
zu der Musik zu tanzen. Ein paar weitere Fahrgäste, darunter auch Mambu, folgten seinem Beispiel. Wir lachten und ap-plaudierten den Tänzern.
In der Kissy Street, einer belebten Gegend in der Nähe des Stadtzentrums, stiegen wir aus. Die Menschen gingen ihren Alltagsgeschäften nach, als wäre sonst nichts geschehen im Land. Auf beiden Seiten der Straße befanden sich große Lä-
den, und Kaufleute drängten sich auf den schmalen Bürger-
steigen. Unsere Augen sogen alles begierig auf, und schon bald waren wir völlig überwältigt.
»Ich hab euch doch versprochen, dass es toll wird«, Mam-
bu hüpfte in die Luft.
»Guck mal das Hochhaus da«, sagte ich und zeigte auf ei-
nes. »Und das da ist auch so hoch«, rief Alhaji.
»Wie kommen die Leute da rauf?«, fragte Mambu.
Wir gingen langsam, bewunderten die vielen Autos, die
libanesischen Läden mit allen Arten von Lebensmitteln. Mir tat der Nacken weh, weil ich andauernd die Hochhäuser ans-tarrte. Überall gab es kleine Märkte, auf denen Kleidung, Lebensmittel, Kassetten, Stereoanlagen und vieles andere
mehr verkauft wurde. Die Stadt war sehr laut, als würden sich die Menschen überall gleichzeitig streiten. Wir spazierten den ganzen Weg bis zum Cotton Tree, dem Nationalsymbol von
Sierra Leone und Wahrzeichen der Hauptstadt. Mit offenem
Mund starrten wir den riesigen Baum an, den wir nur von
den Rückseiten der Münzen kannten. Jetzt standen wir an
der Kreuzung zwischen Siaka Stevens Street und Pademba
Road, dem Stadtzentrum, direkt unter diesem Baum. Die
Blätter waren grün, aber die Rinde sah sehr alt aus. »Das 169
glaubt uns keiner, wenn wir das erzählen«, sagte Alhaji, als wir weitergingen.
Wir liefen den ganzen Tag herum, kauften Eis und tran-
ken Vimto * . Das Eis zu essen stellte sich als schwierig heraus, weil es in der heißen Sonne viel zu schnell schmolz. Ich leckte mir die klebrigen Rinnsale von den Ellbogen und zwischen meinen Fingern, anstatt es aus der Waffel zu schlecken. Während wir durch das Stadtzentrum liefen, wurden die Men-
schen und Autos immer mehr. Wir kannten niemanden, und
alle schienen es eilig zu haben. Mambu und Alhaji gingen die ganze Zeit hinter mir her und gaben mir Ratschläge, wo ich entlanggehen oder wann ich haltmachen sollte … Es war, als wären wir immer noch an vorderster Front und als sei ich
immer noch der Anführer unserer Einheit.
Es war schon fast Abend und wir wollten pünktlich zum
Abendessen ins Center zurückkehren. Auf dem Weg zurück
zum Bus wurde uns klar, dass wir nicht mehr genug Fahrgeld hatten. »Wir können uns vorne hinsetzen, und wenn wir an
unserer Haltestelle ankommen, springen wir raus und rennen weg«, meinte Mambu. Wir saßen still im Bus und beäugten
den Kontrolleur, der vor jeder Haltestelle das Geld einsammelte. Als sich der Bus unserem Zielort näherte, bat er alle, die aussteigen wollten, die Hand zu heben. Er ging den Gang entlang und sammelte das Geld ein. Dann hielt
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